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    Drachentöter Avatar von Tak
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Das Ritual des Verschlingers

    „Nun, alter Mann? Wie geht die Arbeit voran?“ Tak zog die schwere Kerkertür hinter sich zu und trat an den Tisch in der Ecke der fensterlosen Zelle. Müßig schob er einige der Pergamente darauf herum. Sie waren unbeschrieben. „Noch immer nichts?“, fragte er im Plauderton. „Von einem der größten Gelehrten Varants hätte ich nach fast zwei Wochen mehr erwartet als nur leere Blätter.“
    „Zwei Wochen … fast zwei Wochen?“, kam die Antwort. Die dünne, trockene Stimme eines Greises. Tak verschränkte die Arme und sah zu dem Mann auf der Pritsche, der sich mühsam aufsetzte, die dünnen Beine von der Liege schwang. Sein langer, weißer Bart war verfilzt, sein Gesicht so schmutzig wie die feinen Kleider, die er trug.
    „Zwei Wochen …“, murmelte er und hob den Kopf. Sein Blick begegnete Taks furchtlos. Blanker Hass stand in den Augen des Greises. „Weißt du, dass man hier unten jedes Gespür für Zeit– “ Er hielt inne, runzelte die Stirn. „Das letzte Mal hast du gesagt … drei Wochen! Und davor … vier Tage …“ Der alte Mann ballte zornig die arthritischen Hände zu Fäusten. „Wie lange? Wie lange bin ich wirklich schon hier unten? Sag es mir, du von allen Göttern verfluchter Sohn einer räudigen Straßenhündin, sag es mir!
    „Spielt es eine Rolle? Dem Stand deiner Arbeit nach zu urteilen, noch nicht lange genug.“
    „Ich werde nicht tun, was ihr Hunde von mir verlangt. Mir ist egal, was mit mir passiert, aber ich werde euch Geschmeiß nicht helfen, was auch immer ihr von mir wollt!“
    „Nein?“
    „Nein!“ Der Greis verschränkte entschlossen die Arme. Tak nickte langsam. Eines musste er Adem al-Idrizi lassen: Er war alt, sein Körper gebrechlich, aber sein Wille war eisern. Anfangs hatten Nazirs phantasielose Schergen versucht, Folter anzuwenden, um ihn zur Mitarbeit zu bewegen, aber der Greis hatte nicht einmal geschrien. Tak war rasch klar geworden, dass sie ihn auf diese Art nicht brechen würden, höchstens umbringen. Nur, tot würde er ihnen auch nichts mehr nutzen.
    „Das ist bedauerlich.“ Tak seufzte theatralisch. „Du könntest uns allen eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen, wenn du deine Meinung ändern würdest. Und zudem – es wäre die Krönung deiner Arbeit! Über ein halbes Jahrhundert der Forschung. Und jetzt, endlich, hast du die Chance, mit den geheimsten Texten zu arbeiten, die einstmals in Zubens Archiv verstaubten und die er dir nie zugänglich gemacht hat. Ich weiß, dass du ihn wieder und wieder um Erlaubnis gebeten hast, sie untersuchen zu dürfen. Also erzähl mir nicht, dass die Versuchung nicht da ist.“
    „Ist sie“, gab al-Idrizi unumwunden zu, „Aber dennoch, ich werde die Texte nicht anfassen, ich werde euch nicht helfen!“
    Tak lachte leise. „Du hast sie doch längst angefasst. Du hast sie gelesen, wahrscheinlich hast du schon eine so gut wie vollständige Übersetzung von ihnen angefertigt. Hier oben.“ Er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe. „Alles, was du noch tun musst, ist, zur Feder zu greifen und sie zu Pergament zu bringen.“
    „Woher weißt du …“, fragte der Alte geschockt.
    Tak schmunzelte. „Danke, dass du meine Vermutung gerade bestätigt hast. Es stimmt also. Ich hatte mir schon gedacht, dass du nicht würdest widerstehen können.“ Er fuhr mit den Fingerspitzen leicht über die antiken Tafeln aus gebranntem Ton, die in einem Stapel auf dem Tisch lagen. Fremdartige Zeichen waren in sie eingeritzt. Tak beherrschte die Sprache des Alten Volkes zwar in Ansätzen, aber längst nicht gut genug, um die uralten Tafeln zu entschlüsseln und zu übersetzen.
    Adem al-Idrizi hingegen erforschte die Kultur des Alten Volkes schon, als Tak noch nicht einmal geboren worden war. Als jüngster Sohn einer niederen, aber wohlhabenden Adelsfamilie hatte er sich nie Hoffnungen auf die Nachfolge machen können, aber auch nie Sorgen um Geld machen müssen und daher sein Leben schon früh der Wissenschaft gewidmet. Und während seine älteren Brüder als unbedeutende Lokalfürsten ihr Dasein fristeten, war er zu einem der größten Gelehrten seiner Zeit aufgestiegen. Er war in allen Künsten bewandert, ob Philosophie oder Physik, Mathematik oder Musik, es gab kaum ein Fachgebiet, in dem er nicht über umfassendes Wissen verfügte. Sein besonderes Interesse hatte jedoch schon immer der Geschichte und der Kultur des sagenhaften Alten Volkes gegolten, dessen Ruinen im Sand der Wüsten Varants den Jahrtausenden trotzten.
    „Ich wünschte, wir wären uns unter anderen Umständen begegnet“, seufzte Tak theatralisch. „Ich bewundere deine Arbeit, das tue ich wirklich!“
    Es war nicht gelogen. Tak hatte die Schriften al-Idrizis ausnahmslos gelesen, viele mehrfach. Sie im Original lesen zu können, statt in myrtanischer Übersetzung, war einer seiner Antriebe gewesen, Varantisch zu erlernen. Und damit waren al-Idrizis eigene Werke mit verantwortlich dafür, dass Tak sich jetzt in dieser Position wiederfand, den Greis dazu zu bringen, zu kollaborieren. Was für eine Ironie des Schicksals.
    „Oh, danke, ich fühle mich geehrt!“, spie der alte Gelehrte aus, „Ein Köter, der lesen kann, bleibt dennoch nur ein Köter!“
    Tak zuckte mit den Schultern. „Ich hätte gern von dir gelernt, weiß du? Aber das Schicksal wollte es wohl nicht. Stattdessen sind wir jetzt hier und drehen uns seit vier Wochen im Kreis.“
    „Vier …?“
    „Oder waren es drei? Schwer zu sagen hier unten. Kein Sonnenstrahl, keine Wärme … Und doch weigerst du dich, uns zu helfen. Ich könnte dich jetzt fragen, ‚Warum?‘, aber sein wir ehrlich – es ist mir egal, warum. Mich interessiert nur, was dich dazu bringen könnte, deine Haltung zu ändern.“
    „Nichts!“
    „Wirklich nicht? Ich denke, ich habe da etwas für dich …“
    Tak klopfte zweimal an die Kerkertür. Wenig später wurde sie geöffnet und ein beleibter Wächter schob eine junge Frau in die düstere Zelle. Sie hatte einen Sack aus dichtem schwarzem Stoff über dem Kopf und taumelte orientierungslos herein, langes schwarzes Haar fiel in gewellten Strähnen darunter hervor. Die Machart und Stoffe ihres Kleides kündeten davon, dass sie vermutlich aus wohlhabenden, wenn auch nicht außerordentlich reichen Verhältnissen stammte. Im Vergleich zu al-Idrizis Tunika war es auch noch recht sauber.
    Der Wächter schob die Gefangene in die Mitte der Zelle. Tak trat an sie heran und zog ihr den schwarzen Sack vom Kopf, wobei er al-Idrizi genau im Auge behielt.
    Die Reaktion des alten Mannes sagte ihm, dass er gewonnen hatte.
    „Nein!“, krächzte der Alte, „Ihr verfluchten Hunde!“ Er sprang beinahe von seiner Pritsche. Die junge Frau blinzelte.
    „Großvater?“
    „Ja! Ja, ich bin es, Asmara, mein Kind, oh was haben sie dir angetan …“
    Der Greis schloss das Mädchen in die Arme und es erwiderte seine Umarmung. Der Kerkermeister wollte dazwischengehen, aber Tak hielt ihn zurück. Er wollte den beiden Gefangenen dieses innige, tränenreiche Wiedersehen gönnen, wollte, dass al-Idrizi sich davon überzeugen konnte, dass es seiner liebsten Enkelin gut ging.
    Wollte, dass der alte Gelehrte genau wusste, was auf dem Spiel stand.

    Als sie wieder allein waren und al-Idrizi wieder auf der Pritsche saß, war seine Haltung eine völlig andere als zuvor. Kraftlos in sich zusammengesackt saß er da, mit hängenden Schultern. Hin und wieder wischte er sich noch immer eine Träne von der Wange.
    Tak zog sich den Stuhl heran, der vor dem Arbeitstisch stand, und setzte sich dem Gefangenen gegenüber.
    „Du weißt, was das bedeutet“, sagte er ernst, „Ihr Schicksal liegt in deinen Händen.“
    Der Gelehrte hob den Kopf. Abgrundtiefer Hass sprach aus seinem Blick, aber auch Verzweiflung.
    „Ihr Schweine …“, flüsterte er, „Was werdet ihr Sadisten ihr antun?“
    „Sadist?“ Tak hob die Augenbrauen. „Nein, Adem, ich bin kein Sadist. Ich bin Pragmatiker. Das bedeutet, ich tue alles, was ich tun muss, um zu bekommen, was ich will. Alles! Das bedeutet aber auch, ich tue nur so viel, wie notwendig ist, um zu bekommen, was ich will. Solange du mir also gibst, was ich von dir verlange, habe ich keinen Grund ihr irgendetwas anzutun. Wenn du dich hingegen weiterhin weigerst … nun … dann werde ich sie nach und nach in kleine Stücke schneiden.“ Er hob die Schultern und kehrte die Handflächen nach außen. „So einfach ist das, Adem. Ein einfacher Handel. Du fertigst die Übersetzungen für uns an, findest den Standort des Grabtempels heraus, und deine Enkelin bleibt unversehrt. Du weigerst dich, und … ich bringe dir jeden Tag einen neuen Teil von ihr. Ich würde mit den Zehen beginnen, dann die Finger. Das Gesicht – Ohren, Nase, Augen, Zunge, Zähne … glaub mir, es gibt eine Menge, das ich ihr nach und nach abschneiden könnte, ohne dass sie daran sterben würde. Und ich bin kein Sadist. Aber glaub mir, wir haben solche auch unter unseren Männern. Etliche sogar. Sadisten, Perverse, Verrückte … Ich bin derjenige, der dafür sorgt, dass sie deiner liebsten Asmara nicht zu nahekommen. Noch.“
    Al-Idrizi sagte nichts. Er rührte sich nicht einmal, sein Blick war starr auf den Boden zwischen seinen Füßen geheftet. Für Tak war das Antwort genug.
    „Wir verstehen uns also.“, stellte er fest, „Aber, ich bin nicht so schlecht, wie du von mir vielleicht denkst. Ich habe da nämlich noch ein … persönliches Anliegen.“
    Al-Idrizi hob müde den Kopf. „Was willst du denn noch von mir? Reicht es nicht, dass du meine Enkelin entführt hast und mich zwingst, mein Wissen in euren Dienst zu stellen?“
    „Ich will dir helfen“, erwiderte Tak, „Sofern du mir hilfst. Siehst du, egal was du tust, selbst wenn du unsere Forderungen jetzt erfüllst und die Texte zu unserer Zufriedenheit übersetzt, wird der Anführer unserer kleinen Gemeinschaft hier dich am Ende töten lassen. Dich und deine Enkelin. Er ist ein wenig paranoid und wird glauben, ihr wüsstet zu viel …“ Der Alte wollte gerade etwas erwidern, aber Tak hob die Hand. „Ich biete dir also nicht weniger an, als dafür zu sorgen, dass ihr beide am Leben bleibt. Und unversehrt, sofern du deinen Teil der Abmachung einhältst. Ich werde derjenige sein, den … er damit beauftragen wird, euch zu beseitigen, also bin ich in der besten Position, ihm euren Tod vorzuspielen und euch in Sicherheit zu bringen.“
    „Und warum solltest du das tun? Warum solltest du dieses Risiko auf dich nehmen? Und wie kann ich wissen, ob ich dir überhaupt vertrauen kann?“, fragte al-Idrizi grimmig.
    „Nein, mein Freund“, erwiderte Tak, „Die Frage ist doch nicht, ob du mir vertrauen kannst, sondern ob du es dir leisten kannst, mir nicht zu vertrauen. Lehne mein Angebot ab, und du bist mit Sicherheit tot, ebenso wie deine Enkelin. So einfach ist das. Ich biete dir eine Chance. Einen einfachen Handel. Ein kleiner persönlicher Gefallen für euer beider Leben. Du hast nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen! Und davon abgesehen, der Gefallen, um den ich dich bitte – er wird dich interessieren…“
    Er griff in den Lederbeutel, der über seiner Schulter hing, und zog eine hölzerne Schatulle heraus. Das Kästchen war schmucklos, robust und mit einem unverhältnismäßig massiv wirkenden Schloss versperrt. Tak öffnete es mit dem passenden Schlüssel und reichte al-Idrizi das Kästchen. Der alte Gelehrte konnte nicht gänzlich die Neugier aus seiner Miene verbannen, als er den Deckel aufklappte und darin einen uralten Papyrus vorfand. Mit großer Vorsicht und geradezu ehrfürchtig entrollte er das Schriftstück.
    „Das…“, murmelte er, „Das ist … woher hast du das? Dieser Text lagerte in Zubens verbotenem Archiv, und das wurde nach der Eroberung von der Inquisition vernichtet! Ich weiß es! Ich habe versucht, sie davon zu überzeugen, dass dieses Wissen viel zu kostbar wäre, um es einfach den Flammen zu übergeben, aber …“
    „Woher ich es habe, spielt keine Rolle“, unterbrach ihn Tak, „Je weniger du weißt, umso besser. Für dich, für mich, für deine Enkelin … die einzige Frage, die von Belang ist: Kannst du den Text lesen, die Anweisungen übersetzen und die Formeln rekonstruieren?“
    Al-Idrizi ließ den Papyrus sinken.
    „Das ist schwarze Magie“, sagte er schließlich, „Schwärzer als schwarz. Selbst Zuben hat das Studium dieser Texte verboten! Was hast du damit vor?“
    Tak schüttelte langsam den Kopf. „Das ist nicht die Frage, die ich dir gestellt hatte.“
    Der alte Gelehrte schwieg. Er dachte nach. Mehrere Minuten verstrichen, ohne dass einer der Männer etwas sagte.
    „Ja. Ja, das kann ich“, antwortete er schließlich mit leiser Stimme. Tak lächelte.
    „Gut. Sehr gut! Tu das für mich, und ich werde dich und deine Enkelin in Sicherheit bringen. Und denk daran …“ Er nahm al-Idrizi den Papyrus aus der Hand, verstaute ihn wieder in dem Kästchen und schob dieses unter die löchrige Decke auf der Pritsche des Gefangenen. „Das bleibt unser kleines Geheimnis!“ Mit einem verschwörerischen Lächeln legte Tak den Finger auf die Lippen und zwinkerte al-Idrizi zu. Dann richtete er sich auf und sah sich in der Zelle um. „Ich werde dir etwas zu Essen bringen lassen und neues Öl für die Lampe. Du hast schließlich einiges an Arbeit vor dir. Du sollte bald damit anfangen … In drei Tagen werde ich nachsehen, wie weit du bist, und dann hast du besser etwas vorzuweisen, oder ich bringe dir das erste Stückchen deiner kostbaren Enkelin. Wir verstehen uns?“ Er klopfte an die Tür, auf der anderen Seite wurde der schwere Riegel zurückgeschoben und sie schwang knarrend auf. „Drei Tage! Behalt besser die Zeit im Auge.“

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    Abu-Hasan Nazir bin Waqas al-Aariz war eigentlich ein unscheinbarer Mann. Ein hagerer, bärtiger Greis, nicht sonderlich groß, gekleidet in einen einfachen, dunkelblauen Kaftan. Das Auffälligste an ihm war sein Gehstock aus Ebenholz mit einem weißen Kristallknauf, den er stets bei sich führte, obwohl er nicht den Eindruck machte, eine Gehhilfe zu benötigen. Er mochte alt sein, aber er war nicht gebeugt. Seine Haltung war aufrecht, sein Gang zielstrebig.
    Trotz seines unscheinbaren Äußeren füllte Nazir den gesamten Raum mit seiner Präsenz. Tak konnte nicht den Finger darauflegen, was genau seine unheimliche Ausstrahlung ausmachte. Vielleicht war es die schlichte Tatsache, dass Nazir einer der ältesten und mächtigsten Schwarzmagier Varants war, ein Mann von unbeugsamem Willen und eiserner Entschlossenheit, der seine Ziele allen Widrigkeiten zum Trotz verfolgte – egal wie wahnsinnig diese Ziele sein mochten. Und sie waren wahnsinnig. Anders konnte Tak die Pläne des Magiers, einen uralten Tyrannen von den Toten wiederzuerwecken, damit er Varant im Kampf gegen die Myrtaner und den Rest der Welt anführe, nicht nennen.

    Tak erhob sich, als Nazir das schummrige Hinterzimmer der Taverne betrat. Er hatte seit einer Stunde oder mehr auf den Schwarzmagier gewartet. Eine von Nazirs üblichen Marotten: Er bestellte seine Untergebenen – oder die er dafür hielt – zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort, aber wann er selbst auftauchte, stand in den Sternen. Manche Eigenarten wurde jemand wie Nazir, der es sein ganzes Leben lang gewohnt war, Macht auszuüben, wohl einfach nicht los, auch wenn sein Status auf den eines gesuchten Verbrechers reduziert war, der sich wie eine Ratte im Untergrund verkriechen musste, während diejenigen, die er so herablassend behandelte, seine hochfliegenden Pläne ausführten. Tak verachtete Nazir insgeheim für diese Arroganz, ließ sich das aber natürlich nicht anmerken. Er war schließlich nicht lebensmüde. Und außerdem brauchte er den Alten noch.
    „As-salamu alaikum“, begrüßte er den Schwarzmagier und neigte dabei respektvoll den Kopf. Nazir winkte ab.
    „Wa-alaikum as-salam, gharib. Setz dich. Ich will keine Zeit verschwenden.“
    Gharib. Fremder. Tak gehörte mittlerweile seit über drei Jahren zu Nazirs engsten Vertrauten, und doch bezeichnete der Magier ihn nach wie vor nur als den ‚Fremden‘. Er war kein Varanter, in Nazirs Augen ein unverzeihlicher Makel, von dem kein noch so treuer Dienst Tak jemals würde reinwaschen können. Nazir misstraute generell jedem, aber Nicht-Varantern misstraute er noch mehr und Myrtanern am allermeisten. Es hatte Tak einiges an Mühe gekostet, dieses Misstrauen so weit zu zerstreuen, dass er Zugang zu Nazirs innerem Zirkel erhalten hatte und inzwischen sogar zur rechten Hand des Magiers aufgestiegen war. Die Ironie, dass Nazirs Misstrauen vollkommen gerechtfertigt war, ohne dass dieser etwas ahnte, bereitete Tak ein gewisses Vergnügen.
    Denn Tak arbeitete für die Inquisition des Ordens Innos‘ und sein Auftrag war kein anderer, als Nazir zur Strecke zu bringen.
    Es war alles andere als eine einfache Aufgabe. Nazir war vorsichtig. Nach dem Sturz Zubens war der Schwarzmagier in den Untergrund gegangen und hatte begonnen, ein Netzwerk aus Anhängern aufzubauen – andere Schwarzmagier und ehemalige Assassinen, die sich der Okkupation ihres Landes durch Myrtana, der Herrschaft der Kirche Innos‘ und dem Verbot des Beliar-Kultes widersetzten. Obwohl die Inquisition schon mehrfach versucht hatte, Nazirs Organisation zu zerschlagen und seiner habhaft zu werden, war der alte Magier ihr bislang immer einen Schritt voraus gewesen. Inquisitor Berengar, der die Operationen in Varant leitete, hatte daher beschlossen, zu versuchen, einen Maulwurf an Nazirs Seite unterzubringen, um so endlich nah genug an den Schwarzmagier heranzukommen. Der Maulwurf war Tak.
    Er war der Einzige unter Berengars Akolythen, der für diese Aufgabe geeignet war. Tak hatte sich kurz nach dem Fall der Barriere in die Dienste des Ordens gestellt – nicht aus Frömmigkeit, aber das blieb sein kleines Geheimnis – und tat sich vor allem durch sein umfangreiches Wissen und seine Gelehrsamkeit hervor. Er hätte eine schnelle Karriere in den Reihen des Ordens machen können, wäre da nicht ein Hindernis: Sein völliges Unvermögen, auch nur die geringste Form von Magie anzuwenden.

    Einst, zu Zeiten der Barriere, hatte Tak die Magie formen können. Er hatte dafür nicht einmal Runen benötigt, als die Magier noch auf die Hilfe dieser Form von gebundenen Zaubern angewiesen waren. Seine Kraft hatte er aus der Natur selbst gezogen, er hatte die Welt der Pflanzen und Tiere manipulieren können. Er war ein Druide gewesen.
    Aber dann waren die Drachen über Khorinis hergefallen und hatten den dortigen Weltenbaum zerstört, und mit ihm die Quelle seiner Kraft. Es war, als hätte der Tod des Weltbaumes auch im Inneren des Druiden seine Fähigkeit, die Magie, irgendeine Magie, zu spüren und zu manipulieren mit Stumpf und Stiel ausgebrannt. Er war leer, taub, empfindungslos gegenüber der magischen Welt…
    Und die Wut darüber zerfraß ihn Tag für Tag.
    Aber Tak war entschlossen, einen Weg zu finden, seine einstige Macht wiederzuerlangen, und die beste Chance dafür sah er im Orden Innos‘. Der Orden war der reichste und mächtigste Zusammenschluss von Magiern in Myrtana und den umliegenden Reichen, durch ihn hoffte Tak, an die Ressourcen und Mittel zu gelangen, seine eigenen magischen Fähigkeiten wiederherzustellen. Auf der Suche nach einem Weg hatte er Wochen und Monate mit einsamen Studien verbracht, sich in den staubigen Bibliotheken von Klöstern und Konventen im Kerzenschein durch uralte, kaum noch lesbare Folianten gequält, bis sich seine Augen entzündeten. Und doch hatte er noch keine Lösung für sein Problem finden können, und solange er nicht wenigstens eine banale Lichtkugel zu beschwören im Stande war, blieb ihm auch die weitere Karriere im Orden, der Aufstieg in die Ränge der Feuermagier, verwehrt.
    Das esoterische Wissen, das er sich aneignete, machte ihn jedoch interessant für die Inquisition, deren Reihen er schließlich als Akolyth in Inquisitor Berengars Gefolge beitrat. Berengar war ein vergleichsweise junger, ehrgeiziger Feuermagier und Inquisitor, der von seinen Meistern mit der Aufgabe betraut worden war, in Varant versteckte Beliarkulte aufzuspüren und zu zerschlagen. Tak wurde bald zu einem seiner wichtigsten Gefolgsleute.
    Die Ergreifung Nazirs war ihr bislang schwierigster Auftrag. Tak brauchte ein gutes Jahr, um überhaupt einen Kontakt mit der verborgenen Organisation des alten Schwarzmagiers herstellen zu können, und weitere drei Jahre, um sich die Vertrauensposition zu erarbeiten, die ihn ab und zu in Nazirs Nähe kommen ließ. Trotzdem ließ der Magier sich nicht festnageln – Tak wusste noch immer nicht, wo Nazir seinen eigentlichen Unterschlupf hatte, sofern er überhaupt einen festen Unterschlupf besaß. Wenn Nazir sich mit jemandem von Angesicht zu Angesicht unterhalten wollte, was ohnehin nur selten vorkam, dann ließ er demjenigen kurz vorher durch einen Boten den Zeitpunkt und Ort des Treffens übermitteln. Dadurch bestand keine Chance, ihm eine Falle zu stellen.

    Die Treffpunkte waren meist unbedeutende, halböffentliche Lokalitäten, so wie das Hinterzimmer der Taverne am Rande Mora Suls, in dem Tak nun wieder vor dem niedrigen Tisch Platz nahm, während sich Nazir ihm gegenüber niederließ.
    Nazir war nicht allein. Wie immer wurde er von Saif begleitet, seinem Leibwächter, einem kleinen, aber breitschultrigen Mann, der sich mit einer Geschmeidigkeit und Schnelligkeit bewegen konnte, die man ihm auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Er trug nur einen einfachen Säbel am Gürtel, aber Tak bezweifelte, dass dies seine einzige Waffe war. Wie die meisten Assassinen würde er ein halbes Arsenal an Dolchen, Messern und Wurfwaffen unter seinem schmucklosen grauen Kaftan verborgen halten.
    Und dann war da noch Asha. Die hagere, hochgewachsene Frau hatte sich mit verschränkten Armen an der Tür postiert und warf Tak hin und wieder verachtungsvolle Blicke zu. Sie hasste ihn. Tak war sich nicht ganz sicher, warum – er vermutete, dass es an seiner nicht-varantischen Herkunft sowie der Tatsache lag, dass er in Nazirs Gunst fast ein wenig höher stand als sie. Aber was auch immer der Grund für ihre Abneigung sein mochte, sie machte keinen Hehl daraus und das war ein Charakterzug, den Tak ihr hoch anrechnete. Dadurch stellte sich für ihn nicht die Frage, ob er sie würde beseitigen müssen, sondern nur, wann und wie.
    „In welcher Angelegenheit kann ich Euch zu diensten sein, Meister?“, fragte Tak und goss Nazir und sich selbst etwas von dem Tee ein, der in einer bauchigen Kanne über einer kleinen Kerze warmgehalten wurde. Nazir nahm das Schälchen, hielt es aber nur in seinen knorrigen Händen, ohne einen Schluck zu trinken.
    „Wir kennen den Standort der letzten Kanope.“
    Tak nickte. „Uraz‘ Herz. Sobald wir es geborgen haben, sind die Kanopen vollständig.“
    „So ist es. Dann können wir den Körper des Gottköngis wiederherstellen, sobald wir sein wahres Grabmal gefunden haben. Asha hat Zweifel angemeldet in Bezug auf eine Befragungstechniken dieses verstocken Gelehrten …“
    „Hat sie das?“, fragte Tak betont gelangweilt und warf der jungen Frau einen kurzen Blick zu, den sie mit sehr viel Gift in den Augen erwiderte. „Nun, Hauptsache sie hat ihren Auftrag erledigt und mir gebracht, was ich brauchte. Glaubt mir, seine Enkelin hat gehörigen Eindruck auf Idrisi gemacht. Er wird tun, was wir von ihm verlangen. Bis wir die letzte Kanope geborgen haben, bin ich mir sicher, wird er die alten Texte übersetzt haben. Der Auferstehung wird nichts im Wege stehen.“
    „Wir werden sehen“, knurrte Nazir, „Du wirst die Expedition leiten, um das Herz zu bergen. Hier, auf dieser Karte ist das Gebiet eingezeichnet, in dem sich das Grabmal befinden muss – irgendwo nördlich der Qudra-Oase. Asha wird dich begleiten. Sie hat bereits eine Gruppe von Schatzsuchern angeheuert.“
    Tak nickte kurz. Er wusste, was das hieß: Die Söldner würden die grobe Arbeit erledigen, während Ashas und seine Aufgabe darin bestand, sicherzustellen, dass die Schatzsucher von ihrer Suche nie zurückkehrten. Sobald sie das Herz des Gottkönigs in den Händen hielten, würde sich eine Reihe von Unfällen ereignen.
    „Ihr brecht so bald wie möglich auf. Verstanden?“
    „Natürlich, Meister.“
    „Gut.“ Nazir ließ den Tee stehen, ohne ihn angerührt zu haben, und verließ die Kammer. Saif und Asha folgten ihm auf dem Fuße.
    Wieder allein, nahm Tak einen Schluck von seinem Tee und lächelte still in sich hinein.

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    Zwei Wochen später, tief in der Wüste Varants ...

    Tak kniff die Augen zusammen, als eine Windböe ihm feinen Wüstensand ins Gesicht blies. Sein Blick schweifte über die endlose, eintönige Dünenlandschaft. Im roten Licht der untergehenden Sonne wirkte die Wüste wie ein Meer aus Blut. Es war eine erbarmungslose Landschaft, bar jeden Lebens. Tagsüber flimmerte die Luft in der Gluthitze und das vom Sand zurückgeworfene Licht blendete einen in den Augen, des Nachts gefror einem beinahe der Atem vor dem Mund. Kein Wunder, dass sie Menschen in Varant vor allen anderen dem Gott des Todes huldigten – wenn es ein Reich Beliars auf Erden gab, dann war es die Wüste von Varant. Nicht einmal das eisige Nordmar war ein derart unwirtlicher, lebensfeindlicher Ort.
    Es war mittlerweile zwei Wochen her, dass sie die Qudra-Oase hinter sich gelassen hatten. Ein Schlammloch, das den Namen „Oase“ kaum verdiente. Es gab nicht einmal eine Siedlung dort und selbst die Nomaden hatten nur selten einen Grund, Qudra aufzusuchen. Denn hinter Qudra gab es nichts. Nur den endlosen Sand.
    Und irgendwo zwischen den Dünen – die Ruinen einer längst vergangenen, uralten Ära …

    „Eine Tagesreise noch, vielleicht zwei“, sagte Tak nachdenklich, „Aber es wird der gefährlichste Teil der Reise.“
    „Der interessanteste“, korrigierte ihn Asha. Sie war neben ihn getreten, ihre Hand lag locker auf dem Griff ihres Säbels und sie strich mit dem Daumen leicht über den Knauf, eine Geste, die Tak schon oft an ihr beobachtet hatte.
    Er zuckte mit den Schultern und ließ seinen Blick wieder in die Ferne schweifen. „Ja, sicher … der interessanteste.“
    „Hast du etwa Angst?“ Der herablassende Spott in Ashas Stimme war schwer zu überhören.
    „Natürlich“, gab Tak, ohne zu zögern, zu und erwischte die hochgewachsene Kriegerin damit auf dem falschen Fuß. Sie zog überrascht die Augenbrauen hoch und sah ihn an, als wäre er verrückt geworden. „Du nicht?“, fragte er im Plauderton.
    Asha rümpfte die Nase und reckte das Kinn hoch: „Nein.“
    Tak verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. „Mutig zu sein heißt nicht, keine Angst zu haben. Es bedeutet, seine Angst zu überwinden. Keine Angst zu haben, das ist … Dummheit.“
    Ihre Blicke trafen sich, und wenn sie töten könnten, dann wäre Tak auf der Stelle als verdorrte Hülle in sich zusammengesackt.
    „Belehr mich nicht über Dinge, von denen du nichts verstehst, Bücherwurm“, knurrte Asha ungehalten, „Kampf, Ehre, Mut – als ob du wüsstest, was das ist!“
    „Wenn du meinst“, gab Tak gleichgültg zurück. Es war ihm ganz recht, dass Asha glaubte, er trüge sein eigenes Schwert nur zur Dekoration mit sich herum. Je weniger sie ihn als Bedrohung wahrnahm, um so besser.
    Er wandte sich ab und machte sich auf den Weg zurück in das kleine Lager, das ihre Begleiter, eine Gruppe von Söldner-Schatzsuchern, zwischen zwei Dünen aufgeschlagen hatte. Asha folgt ihm wortlos. Fast erwartete er, dass sie ihm einen ihrer Wurfspeere in den Rücken bohrte. Wenn ihre Ambitionen nicht durch ihre völlige Hingabe zu ihrem Gott Beliar und dessen Abgesandten auf Erden (oder den sie dafür hielt), Nazir, in Schranken gehalten worden wäre, hätte sie das wohl längst getan. Aber Tak wusste, dass sie nichts gegen ihn unternehmen würde, solange er Nazirs Gunst besaß, egal wie sehr sie ihn hasste und ihm seine Stellung neidete. Natürlich versuchte sie, diese Stellung zu untergraben. Aber sie war eine Kämpferin – ihre Fähigkeiten mit der Klinge waren unbestreitbar, Intrigen zu spinnen war hingegen nicht ihre Stärke.
    „Ich glaube nicht, dass wir uns große Sorgen machen müssen“, sagte Asha, „Die vier sind erfahrene Kämpfer, es ist nicht das erste Mal, dass sie die Ruinen der Wüste durchkämmen. Sie wissen um die Gefahen und werden uns zuverlässig schützen.“ Ihr Tonfall war wieder neutral. Tak nickte bedächtig. Er musste zugeben, dass er Ashas Professionalität respektierte. Egal wie stark ihre Abneigung gegen ihn sein mochte, sie würde deswegen nie die Mission gefährden.

    Die vier, auf die sie anspielte, waren Kjell, Hasina, Willem und Fuchs. Die selbsternannten Schatzsucher. Keiner von ihnen kam aus Varant, ihr Anführer Kjell war ausgerechnet ein Nordmarer. Was ihn in die Wüste verschlagen hatte, war Tak ein Rätsel. Die Hoffnung auf Reichtum? Flucht? Jedenfalls sprach er ein recht passables Varantisch und war mit den örtlichen Sitten und Gebräuchen gut vertraut, was darauf schließen ließ, dass er schon etliche Jahre in diesem Teil der Welt zubrachte. Davon abgesehen war er aber noch immer ein klischeemäßiger Nordmarer. Großgewachsen, kräftig, mit zottigem blondem Bart, und natürlich war er mit einer übertrieben großen zweihändigen Axt bewaffnet. Subtilität und Raffinesse schienen diesem Volk einfach vollkommen fremd zu sein …
    Hasina war praktisch sein Gegenteil. Sie war eine Torgaanerin mit ebenholzschwarzer Haut, nicht besonders groß, aber von drahtiger Statur und mit einer scheinbar übernatürlichen Ausdauer gesegnet. Die Hitze der Wüste schien ihr nicht das Geringste anhaben zu können und sie diente als Späherin und Kundschafterin für die Gruppe, bewaffnet mit einem Bogen und einem kurzen Speer für den Nahkampf.
    Willem war das älteste Mitglied der Söldnertruppe, ein ehemaliger Soldat aus Myrtana. Er war ein hochgewachener Mann, aber hager im Vergleich zu dem breitschultrigen Kjell. Trotzdem vermutete Tak, dass man ihn im Kampf nicht unterschätzen sollte – Narben in seinem Gesicht und auf den Armen bezeugten, dass er von Krieg und Schlachten nicht nur in Geschichten gehört hatte, seine ganze Ausrüstung und Bewaffnung waren praktisch und effizient, ohne jeden unnötigen Schnickschnack.
    Und dann war da noch Fuchs. Er war der Einzige, der Tak ein wenig beunruhigte, weil er ihn kaum einschätzen konnte. Ein stummer Junge, dessen echten Namen niemand kannte und der seinen Spitznamen seinem feuerroten Haarschopf verdankte. Wie passte Fuchs in diese Gruppe erfahrener Kämpfer? Er war nicht ihr Laufbursche, sie behandelten ihn mit Respekt und als ebenbürtigen Kameraden, obgleich er kaum zwanzig Sommer gesehen haben dürfte und nur mit zwei einfachen Dolchen und einer leichten Armbrust bewaffnet war. Tak hatte einmal Kjell danach gefragt, aber der hatte nur gegrinst und gemeint, er werde schon sehen …

    „Wonach habt ihr beiden denn so lange Ausschau gehalten?“, fragte Kjell mit einem schiefen Grinsen im Gesicht, als Tak und Asha sich an dem kleinen Lagerfeuer niederließen, „Sagt bloß, ihr habt euch insgeheim doch lieb?“
    „Pass auf, was du sagst, du Flohzirkus!“, knurrte Asha, worauf Kjell lauthals lachen musste. Asha ballte ihre Hände zu Fäusten und es war offensichtlich, dass sie innerlich kochte. Kjell hatte schnell herausgefunden, dass sie reizbar war, und tat seither nichts lieber, als sie aufzuziehen.
    „Mit etwas Glück erreichen wir morgen die Ruinen“, erklärte Tak, ohne auf den albernen Witz des Nordmarers einzugehen, „Spätestens übermorgen. Ihr wisst, was das bedeutet?“
    Kjell grinste. „Klar. Gruuuuuselige Orte! Ha!“
    „Wir sind vorbereitet“, sagte Willem ruhig.
    Tak nickte bedächtig. Er konnte nur hoffen, dass Willem recht hatte. Es war für Tak bei weitem nicht das erste Mal, dass er vergessene Stätten des Alten Volkes in der Wüste aufsuchte, aber gerade deswegen hatte er gelernt, ihre Gefahren nicht zu unterschätzen. Raubtiere, die sich im Schatten alter Mauern ausruhten, waren noch die geringste seiner Sorgen.
    Die Wüste war Beliars Reich. Und Beliar war ein eifersüchtiger Gott …

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    Andächtig fuhr Tak mit der Hand über den Stein. Dessen Oberfläche war glattgeschliffen von den Jahrtausenden, der feine Flugsand wirkte wie Schmirgelpapier. Die in den mächtigen Kalksteinblock gemeißelten Hieroglyphen waren nur noch als seichte Vertiefungen zu ertasten, kaum erkennbar für das bloße Auge.
    „… und nichts weiter bleibt“, murmelte Tak zu sich selbst und legte den Kopf in den Nacken. Über ihm erhob sich eine von zwei gewaltigen Statuen, diejenige, die noch aufrecht stand und entschlossen schien, der Ewigkeit zu trotzten. Ein hoffnungsloses Unterfangen, wie der gebrochene Leib ihres Bruders bewies, dessen Trümmer im Wüstensand halb begraben lagen.
    Die Brüder. Die Wächter einer Stadt, deren Name längst vergessen war. Ihre Überreste erstreckten sich über die Ebene, die vor den Reisenden lag. Mauern, Säulen und Obelisken aus Kalkstein und Granit kündeten von einer Ära der Größe, gegen die das Varant von heute nur noch ein blasser Schatten seiner selbst war. Jetzt noch mehr, da es unter dem Joch der Eroberer aus dem Norden stöhnte. Varant, die uralte Wiege der Zivilisation, reduziert zu einem Vasallenstaat…

    „Sehr hübsch“, kommentierte Kjell trocken und riss Tak damit aus seinen Gedanken, „Aber bissl zu groß, um ihn mitzunehmen und zu verkaufen.“
    Tak wünschte sich, er könnte dem Nordmarer sein dämliches Grinsen gleich hier und jetzt aus dem Gesicht wischen, aber dummerweise brauchte er den Einfaltspinsel noch.
    „Warum sind wir eigentlich hier?“, fragte plötzlich Willem. Er führte die beiden Kamele am Zügel, die das Gepäck und vor allem den Wasservorrat der Gruppe trugen, und legte sie Hand an die Stirn, um seine Augen vor der Sonne abzuschirmen, während er seinen Blick über das düstere Ruinenfeld vor ihnen streifen ließ.
    „Was meinst du?“, fragte Tak vorsichtig, „Ihr werdet gut dafür bezahlt.“
    Willem grinste schief. „Das ist es ja gerade. Wir werden gut dafür bezahlt, und es heißt, wir können alles von Wert behalten, was wir finden. Die ganze Beute. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sich in der Stadt der Brüder noch nennenswert etwas finden lässt, wir sind sicher nicht die ersten Schatzsucher hier, aber die Bezahlung allein ist es schon wert, dass wir diesen Auftrag hier durchführen. Niemand – niemand – hat uns jemals so viel Geld geboten wir ihr.“ Willem nickte bedächtig. „Das führt mich zu der einen, brennenden Frage, meine Freunde: Wo ist der Haken?“
    „Das kann dir doch ziemlich egal sein!“, warf Asha ungehalten ein, „Wie du schon sagtest, ihr werdet verdammt gut bezahlt, also …“
    „Nun, Mädchen“, antwortete Willem kalt, „Das stimmt zwar, aber ich laufe trotzdem ungern blindlings in eine Gefahr, die ich nicht abschätzen kann. Also?“
    Tak sah, wie Asha ob der herablassenden Antwort die Zornesröte ins Gesicht stieg und trat vorsichtshalber zwischen die beiden, wobei er beschwichtigend die Hände hob und lächelte. Willem. Der alte Soldat sah nicht nach viel aus, aber Tak hatte schon gemerkt, dass er von allen aus ihrer kleinen Söldnertruppe wahrscheinlich der Einzige war, der nicht gepennt hatte, als von den Göttern das Hirn verteilt wurde.
    „Der Haken, mein Freund, ist, dass wir auf der Suche nach einer bislang unentdeckten Grabstätte sind. Und dass sie bislang unentdeckt ist, hat einen guten Grund.“
    „Ein unentdeckte Grab? Das klingt so, als könnten wir uns nach dieser Expedition zur Ruhe setzen!“, mischte sich Kjell ein und grinste breit. Willem aber schenkte dem Nordmarer keinerlei Beachtung. Und er teilte auch nicht dessen Begeisterung.
    „Was hat es mit diesem Grab auf sich?“ Das Misstrauen in Willems Stimme war nicht zu überhören.
    „Nun …“, sagte Tak gedehnt, „Sagt euch der Name Uraz etwas?“
    Kjell und Willem schüttelten die Köpfte. Inzwischen waren auch Hasina und Fuchs herangekommen, aller Augen waren nun auf Tak gerichtet.
    „Ein legendärer König. Er lebte vor vielen tausend Jahren, noch lange vor der großen Flut, und machte sich die gesamte damals bekannte Welt Untertan, so heißt es. Aber er war nicht nur ein großer König, ein Herrscher, Krieger und Feldherr, er war auch ein Magier. Und wenn man den Legenden glauben darf, dann war er vielleicht der mächtigste Magier, der jemals auf Erden wandelte. Seine Macht und sein Stolz waren so groß, dass er sich eines Tages weigerte, die Götter um die Gabe der Magie zu bitten. Er war überzeugt, dass es sein Geburtsrecht war, über die Magie zu gebieten und dass selbst die Götter ihm, dem König aller Könige, Untertan sein sollten. Es klingt wie Hybris, aber scheinbar gelang ihm das Unmögliche: Es gelang ihm, ein Ritual von solcher Macht zu entwickeln, dass er damit den Göttern selbst einen Teil ihrer Essenz rauben und sich selbst einverleiben konnte. Die alten Texte geben es so wieder, als hätte er die Götter wie Vieh geschlachtet und gegessen, um sich ihre Stärke einzuverleiben. Uraz, Verschlinger der Götter …
    Wie auch immer dieser Ritus tatsächlich aussah – er verlieh Uraz fast grenzenlose Macht und er wurde zu etwas, das mehr war als ein einfacher Mensch. War er ein Gott? Ein Halb-Gott? Ein Dämon? Ich weiß es nicht, aber eines war er mit Sicherheit: Ein Tyrann. Spätestens seit seinem Aufstieg kannte er kein Maß und keine Gnade mehr. Er herrschte mit eiserner Faust und ertränkte jeden Widerstand gegen seine grausame Herrschaft einem Meer von Blut. Und wer sollte sich ihm schon widersetzen, ihm, der selbst den Göttern die Stirn bieten konnte?
    Eine Gruppe von Magier-Priestern wagte es. Die mächtigsten Magier aller drei Götter schlossen einen geheimen Bund und arbeiteten lange Jahre daran, Uraz in eine Falle zu locken. Eines Tages schafften sie es. In seinem eigenen Tempel, den er an einem Ort errichtet hatte, an dem die Flüsse der Magie unter bestimmten Konstellationen besonders stark waren, lauerten sie ihm während einer Zeremonie auf und griffen an. Eine Schlacht entbrannte, die von epischen Ausmaßen gewesen sein soll, und der Blutzoll, den die Verschwörer zahlen mussten, war hoch, aber am Ende gelang es ihnen, den Gottkönig zu … nun ja, nicht direkt zu töten, jedenfalls nicht, wenn man den Schriften Glauben schenken darf. Er war kein Mensch mehr, kein gewöhnlicher Sterblicher. Aber sie besiegten und banden ihn, doch sie konnten seine fleischliche Hülle nicht zerstören, zumindest nicht gänzlich, egal, wie sehr sie sich bemühten. Also entschieden sie sich, seinen Körper zu zerstückeln, wie sie es traditionell mit ihren Toten taten, und die Teile an unterschiedlichen Orten zu begraben, so dass Uraz auf Ewig in Ohnmacht gefangen bleibe. Sie nahmen sein Herz, sein Hirn, seine Lunge und seine Leber und verbargen sie in geheimen Grabkammern, gespickt mit Fallen und Magie, um Eindringlinge abzuhalten. Und eines dieser Gräber, Uraz‘ Herz, befindet sich irgendwo hier … in der ‚Stadt der Brüder‘.“
    „Nette kleine Geschichte“, schnaubte Kjell, offensichtlich nicht beeindruckt. Willem und auch Hasima sahen hingegen nachdenklicher aus. Fuchs‘ Miene war so ausdruckslos und unlesbar wie immer.
    „Ihr wollt also das Grab mit dem Herzen finden“, stellte Willem fest, „Und dann …?“
    „Das Herz“, sagte Hasina. Es war keine Frage. „Sie wollen das Herz dieses … bösen Gott-Königs.“ Die Torgaanerin machte einen Schritt auf Tak zu und maß ihn von oben bis unten mit einem eisigen Blick. „Was wollt ihr damit? Das ist … böse Magie!“
    „Es ist ein altes Märchen, eine Legende!“, lachte Kjell und legte Hasina die Hand auf die Schulter. „Sie bezahlen uns verdammt gut, vergesst das nicht, Freunde, und wenn sie dafür nur irgend so ein verschrumpeltes Herz haben wollen, mir soll’s recht sein! Das Grab ist sicherlich voll mit Schätzen, und die gehören alle uns, so ist die Abmachung, nicht wahr?“
    Tak nickte. „So ist die Abmachung.“
    „Gut!“ Der Nordmarer grinste. „Falls deine legendären Zauberer dieses ominöse Grab wirklich mit Fallen und Monstern gespickt haben, um so besser – nach der langweiligen Reise kommt mir etwas Abwechslung gerade recht!“ Er tätschelte den Kopf seiner schweren Kriegsaxt. „Also Leute, scheißt euch nicht ein wegen ein paar alberner Gutenachtgeschichten für unartige Kinder – Schätze heben sich nicht von selbst! Los jetzt, finden wir das verdammte Grab!“

    Wie ein Feldherr, der einen Angriff befahl, hob Kjell seine Axt und deutete auf die Ruinenstätte. Hasina warf Tak noch einen kurzen, misstrauischen Blick zu, nahm dann aber ihre übliche Position an der Spitze der Gruppe ein. Kjell, die Axt in der Hand, folgte ihr, Fuchs ging neben ihm und wirkte so entspannt, als würde er einen Spaziergang durch den Park machen. Willem führte noch immer die beiden Kamele, Tak und Asha bildeten die Schlusslichter der Truppe.
    „Warum hast du ihnen all das erzählt?“, zischte Asha ungehalten. Tak zuckte mit den Schultern.
    „Warum nicht? Du weißt, wie gefährlich diese Kanopengräber sind. Besser, sie sind vorbereitet. Immerhin ist es ihre Aufgabe, uns zu beschützen. Und am Ende … wem sollten sie es schon weitererzählen?“ Er lächelte kalt. „Den Geiern?“

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    „Es ist so still hier …“, murmelte Willem und sah sich um. Er wirkte nicht direkt nervös, aber angespannt. Vorsichtig. Er hatte sein Schwert gezogen und in der anderen Hand einen hölzernen Rundschild.
    Es war still zwischen den Ruinen. Unnatürlich still. Seit sie einen Lagerplatz am Rande der Ruinenstätte gefunden und die Kamele dort zurückgelassen hatten, um tiefer in die uralte Stadt vorzudringen, schien es fast, als hätten sie eine andere Welt betreten, die neben der eigentlichen Welt existierte, gefangen in einer Blase ewigen Stillstands. Kein Lufthauch war zu spüren, kein Sandkorn regte sich. Nur die unbarmherzige Sonne brannte vom Himmel und verwandelte die schmalen Wege zwischen den verfallenen Gebäuden in einen hitzeflimmernden Glutofen.
    Vorsichtig bewegte sich die kleine Gruppe weiter. Jeder von ihnen hatte seine Waffen bereitgemacht. Sie alle wussten, wie gefährlich die Ruinen des alten Volkes sein konnten. So tief in der Wüste war es zwar unwahrscheinlich, dass sie auf große Raubtiere trafen, die die kostbaren Schatten zwischen den antiken Mauern zu ihrem Lagerplatz erkoren hatten, aber die Magie des alten Volkes trotzte den Jahrtausenden ebenso wie ihre monumentalen Bauten. Die Toten ruhten nicht immer unter dem Wüstensand …

    „Wonach suchen wir überhaupt?“, fragte Kjell und wischte sich den Schweiß von der Stirn, „Die Stadt der Brüder erstreckt sich über hunderte Hektar. Also wenn ihr keinen Anhaltspunkt habt, wo dieses ominöse Grab sein soll, sehe ich schwarz.“
    „Irgendwo hier im Süden des Areals muss es einen Tempel gegeben haben“, erklärte Tak, „Einen eher kleinen und unscheinbaren Tempel, der einem kriegerischen Aspekt Innos‘ geweiht war. Haltet nach entsprechenden Reliefs oder Statuen Ausschau – Darstellungen von Kampf, Kriegern, einem Gott, der mit Feuer und Blitzen um sich wirft …“
    Kjell zog eine Augenbraue hoch. „Mhm. Und woher wisst ihr das alles?“
    „Nicht wichtig.“
    „Okay, okay, ist mir eigentlich auch egal. Also Leute, ihr habt’s gehört – Kriegertempel oder sowas! Ich kann es kaum erwarten, einen Weg in dieses Grab zu finden. In der Hitze hier draußen verreck ich bald!“

    ***

    Ein langgezogener Pfiff ertönte. Asha fuhr herum und hob kampfbereit ihren Säbel.
    „Was war das?“, zischte sie, „Es kam von dort drüben, hinter diesen Säulen!“
    Kjell grinste und stapfte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. „Ganz ruhig, Süße! Das ist nur Fuchs. Er hat irgendetwas gefunden.“
    Asha schnaubte ungehalten. „Nenn mich noch einmal Süße …“
    „Okay, okay, alles klar!“ Kjell hob lachend die Hände, „… Schätzchen!“
    Tak konnte sehen, wie die Assassine geradezu überkochte vor Wut. Ihre Schwertklinge zitterte leicht. Sie hasste nichts so sehr, wie von oben herab behandelt zu werden.
    „Er gehört dir“, raunte Tak, „Sobald wir unsere Aufgabe abgeschlossen haben. Und jetzt lass uns nachsehen, was der Junge gefunden hat.“

    Fuchs kniete auf dem Boden und wischte den Wüstensand von den Resten einer Statue, die dort lag. Daneben erhob sich ein rechteckiger Sockel, auf dem sich noch ihre Füße befanden, die Beine waren auf Höhe der Knöchel abgebrochen.
    „Das könnte etwas sein – gut gemacht!“, lobte Tak den rothaarigen Burschen, der sich zum Schutz vor der Sonne fast gänzlich in lange Leinengewänder gehüllt hatte. Nur seine Augen stachen zwischen dem Turban auf seinem Kopf und einem daran befestigten Gesichtstuch hervor.
    Die Staute stellte einen Mann mit einem geschuppten Brustpanzer dar, auf seinem Kopf saß ein Helm, der den Großteil des Gesichtes bedeckte. Auffällig war aber vor allem die Helmzier aus langen, spitzen Dornen, die wie Sonnenstrahlen seinen Kopf umschlossen. Einer seiner Arme war abgebrochen und auf den ersten Blick nicht auffindbar, aber in der anderen Hand hielt der Dargestellte einen Speer mit einer flammenartig gewellten Spitze.
    „Ist das dann der Tempel, den wir suchen?“, fragte Willem und deutete auf die Überreste des Gebäudes, das hinter der gestürzten Statue lag. Ein kurzer Weg führte von dem Podest zu einem noch erhaltenen Eingangsportal, das mit fein gearbeiteten Reliefs verziert war. Dahinter konnte man die Überreste von Säulen erkennen, die einst das Dach getragen haben mussten.
    „Sehen wir es uns an!“, sagte Tak und wollte gerade losgehen, als Hasina einen Warnruf ausstieß. Die Torgaanerin deutete mit ihrem Speer auf eine unbebaute Stelle nicht weit von ihnen.
    „Was ist?“, fragte Kjell und hob seine Axt. Hasina kniff die Augen zusammen und nahm eine Kampfhaltung ein.
    „Der Sand“, zischte sie, „Der Sand lebt!“
    Geändert von Tak (07.02.2024 um 22:49 Uhr)

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    Der Sand schlug Wellen. Er wogte auf und ab, immer stärker, wie die See im Sturm.
    Kjell grinste breit: „Ha! Endlich passiert mal was!“ Ohne dass Absprache nötig wäre, postierten sich die vier Söldner im Halbkreis um die verdächtige Stelle, lauernd, die Waffen kampfbereit erhoben. Asha hatte ihre leichte Armbrust gespannt und zielte auf die Stelle, blieb aber in sicherer Entfernung.

    Tak war hinter einer Säule in Deckung gegangen und beobachtete das Geschehen. Er hatte keine Ambitionen, in den Kampf einzugreifen, wenn es nicht sein musste, obwohl er nicht leugnen konnte, dass eine alte, nie ganz vergessene Blutlust noch immer unter der von ihm so sorgsam kultivierten Oberfläche des kalten Pragmatikers köchelte. Er war einst ein Jäger gewesen, ein Killer, der oft mehr seinen Instinkten gefolgt war als kühler Logik, und ein Teil von ihm war noch immer dieser Jäger, eine nach Blut dürstende Bestie, die sich am Kampf um des Kampfes Willen, am Töten um des Tötens Willen berauschen wollte.
    Aber Tak ließ das nicht zu. Die Zeiten der Bestie waren lange vorüber, und er verfügte auch längst nicht mehr über seine einstige Stärke. Seine Ziele hingegen war heute weit höhergesteckt, als einfach nur seine niedere Lust an Blutvergießen und Gewalt zu befriedigen. Nein, das Kämpfen und das Sterben überließ er lieber denen, die zu nichts anderem zu gebrauchen waren…

    Der Sand explodierte förmlich in einer dichten, rötlichen Staubwolke, als sich etwas aus dem Untergrund an die Oberfläche katapultierte. Nur schemenhaft waren die Umrisse eines massigen Körpers und entschieden zu vieler Gliedmaßen zu erkennen. Mit einem markerschütternden Kreischen, das alle anderen Geräusche übertönte und ein unangenehmes Klingeln in den Ohren hinterließ, stürzte sich das Ding auf die Söldner.
    Willem konnte gerade so seinen Schild hochreißen, als ein riesiger Stachel, dem eines Skorpions nicht unähnlich, aus der Staubwolke herausgeschossen kam und ihn um ein Haar gepfählt hätte. Die Wucht des Aufpralls ließ den Soldaten nach hinten taumeln und er hatte es Kjell zu verdanken, der geistesgegenwärtig mit seiner Axt den Stachel bei Seite schlug, dass er nicht vom Folgeangriff getroffen wurde. Asha feuerte ihre Armbrust auf den Schemen in der Staubwolke ab, aber falls sie traf und der Treffer irgendeinen Effekt erzielte, dann ließ das Biest sich nichts dergleichen anmerken.
    „Zurück!“, bellte Kjell, „Raus aus dem verdammten Staub!“ Der Nordmann wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen, die der feine Sand hervorgerufen hatte und die seine Sicht gefährlich verschleierten. Sie mussten das Biest auf festen Boden locken, wo nicht jeder Schritt, jede Bewegung weiteren Staub aufwirbelte.
    Willem, der sich wieder gefangen hatte, versuchte, die Aufmerksamkeit des Gegners auf sich zu lenken, da er sich mit seinem Schild am besten verteidigen konnte, während seine Kameraden sich neu positionierten. Schritt für Schritt wichen die Söldner zurück, und das Ding aus dem Sand folgte ihnen.

    Als es die Staubwolke hinter sich ließ, konnten sie schließlich erkennen, womit sie es zu tun hatten: Das Monstrum überragte selbst den großgewachsenen Kjell um mehrere Haupteslängen und sah aus wie eine grosteske Mischung aus Skorpion, Mensch und Echse. Wie bei einem Zentauren wuchs ein menschenartiger Oberkörper aus einem tierischen Hinterleib. Der Körper erinnerte an den eines Skorpions, er verfügte über drei Beinpaare und aus seinem Hinterleib wuchs der lange, gegliederte Schwanz mit dem gekrümmten Giftstachel, dem Willem zuvor so knapp entronnen war. Der Oberkörper war von einer sandfarbnenen, geschuppten Haut bedeckt, die an eine Echse erinnerte und unter der sehnige Muskelstränge zuckten. Die langen Arme endeten in großen, klauenbewehrten Händen. Der Kopf sah seltsam deformiert aus – länglich, die Nase nur zwei schmale Schlitze mit einem zu klein wirkenden Mund darunter, saß er auf einem breiten, nach vorn geneigten Hals. Die kleinen, schwarzen Augen der Kreatur lagen weit auseinander und funkelten mit einer emotionslosen Kälte, was sie noch fremdartiger erscheinen ließ.

    „Interessant…“, murmelte Tak zu sich selbst. Er hatte von diesen Kreaturen gelesen und Berichte gehört, war bislang aber noch keiner von ihnen tatsächlich begegnet. Während der Orkherrschaft waren sie immer wieder in den Ruinen des Alten Volkes gesichtet worden und hatten daher den Spitznamen Tempelwächter erhalten. Was genau es mit diesen Wesen auf sich hatte, ob sie tatsächlich so etwas wie magische Wächter der uralten Anlagen waren, vermochte niemand mit Bestimmtheit zu sagen. Die Orks waren mehr daran interessiert gewesen, sie möglichst rasch aus dem Weg zu räumen und die Tempel selbst zu plündern, als sich mit der Herkunft und der Bestimmung dieser Wesen auseinanderzuseten. Sicher war jedoch, dass die Tempelwächter keine einfachen Gegner waren und etliche Krieger der Orks und ihrer menschlichen Kollaborateure ihr Leben im Kampf mit einem der Monstren gelassen hatten.
    Es würde sich also zeigen, ob Kjell und seine Kumpane wirklich etwas taugten…

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    „Ich hasse Käfer!“, rief Kjell. Tak fragte sich, ob der Nordmann sich für wahnsinnig originell hielt, oder ob der plumpe Humor nur seine Angst überspielen sollte. Immerhin, falls letzteres der Grund für die Bemerkung war, funktionierte es – ohne zu zögern stürzte sich Kjell mit erhobener Axt auf den Tempelwächter. Willem und Hasina griffen zeitgleich an und der Kampf entbrannte nun ernsthaft.
    Der Tempelwächter erwies sich rasch als ein gleichermaßen zäher wie gefährlicher Gegner. Er war deutlich schneller, als sein plumper Körperbau vermuten ließ, und der Chitinpanzer, der seinen Hinterleib bedeckte, war dick genug, um allen außer den stärksten Hieben zu widerstehen, so dass viele der Treffer, die die drei Söldner landen konnten, so gut wie wirkungslos blieben. Die Bestie kreischte und fauchte, während sie mit ihren klauenbewehrten Händen um sich schlug und versuchte, ihren Giftstachel zum Einsatz zu bringen.
    Tak beobachtete das Geschehen aus sicherer Entfernung. Er musste anerkennen, dass die Söldner ein eingespieltes Team waren. Kjell, Willem und Hasina attackierten aus unterschiedlichen Richtungen und ließen dem Monster nie die Zeit, sich auf einen von ihnen zu konzentrieren – sobald es einen der drei Söldner attackierte, wurde es seinerseits von den anderen beiden angegriffen und war so gezwungen, sich umzuorientieren. Vermutlich gelang es den Dreien nur aufgrund dieser Taktik, schwere Treffer durch den Wächter zu vermeiden.
    Trotzdem gelang es auch den Söldnern nicht, selbst die Oberhand in dem Kampf zu gewinnen. Es war eine Pattsituation, jedoch eine, die sich irgendwann zu Ungunsten der Söldner auflösen würde. Während sie dem Tempelwächter kaum zusetzen konnten, würde ein einziger Treffer des gifttriefenden Stachels vermutlich ausreichen, das Opfer ins Jenseits zu befördern, und auch die scharfen Klauen der Bestie waren nicht zu unterschätzen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis bei den Kriegern die Erschöpfung einsetzen und einer von ihnen einen Bruchteil einer Sekunde zu langsam sein würde…
    Und wo war eigentlich Fuchs? Tak runzelte die Stirn. Der Junge war doch vorhin noch da gewesen? Aber jetzt konnte er ihn nirgendo entdecken…

    „Verflucht, ständig ist irgendeiner im Weg!“, knurrte Asha und ließ ihre Armbrust sinken. Tak bezweifelte ohnehin, dass die Waffe gegen dieses Monstrum sonderlich effektiv sein würde. Es war nur eine leichte Jagdarmbrust, keine Kriegswaffe – und gegen den Tempelwächter hätte man vermutlich schon eher eine Ballista ankarren müssen.
    Die Assassine zog ihr Schwert und warf Tak einen abschätzigen Blick zu. „Was ist? Willst du dich weiter hier verkriechen?“
    „Das war mein Plan, ja“, antwortete Tak, „Und dir würde ich dasselbe empfehlen.“
    Asha lachte. „Ja, das sieht dir ähnlich… Na, nichts anderes hatte ich von dir erwartet, Feigling!“ Als Tak nicht reagierte, stieß sie ein abfälliges Schnauben aus und stürzte sich in den Kampf.
    Tak beobachtete sie genau. Er hatte Asha schon einige Male kämpfen sehen. Sie war eine schnelle, gewandte Kriegerin, deren flüssige Bewegungen sie eher einer Tänzerin gleichen ließen, ganz das Gegenteil zu Kjell, dessen Kampfstil deutlich mehr von seiner rohen Kraft bestimmt war, oder Willem, der mit der Disziplin und Lehrbuchtechnik eines gedrillten Soldaten kämpfte. Asha tauchte unter den Hieben des Tempelwächters hindurch, als würde sie die Angriffe schon kommen sehen, bevor ihr Gegner überhaupt zum Schlag ansetzte, und ihre Klinge fand wieder und wieder ihren Weg zum Ziel – um dann an der harten Chitinpanzerng abzuprallen…

    Selbst zu viert kamen sie nicht so recht gegen den Tempelwächter an. Die Verwundungen, die sie der Bestie zufügen konnten, waren höchstens oberflächlich und schienen das Monster in keiner Weise zu beeinträchtigen. Tak hatte nicht den Eindruck, dass es die Schnitte und Stiche überhaupt bemerkte! Langsam begann er sich Sorgen zu machen. Was, wenn der Tempelwächter die Söldner und vielleicht sogar Asha tötete? Dann war die Mission gescheitert – selbst wenn es ihm gelingen sollte, unbemerkt davonzukommen, würde er allein nicht das Grabmal betreten! Das wäre glatter Selbstmord. Aber was konnte er tun, um den Kampf zu Gunsten der Söldner zu beeinflussen? Sein Schwert war nutzlos, ein weiterer Kämpfer würde keinen Unterschied machen.
    Als Tak sich umsah, auf der Suche nach irgendeiner Möglichkeit, einer Idee, bemerkte er plötzlich eine schattenhafte Gestalt, die auf einer Säule am Rande des Kampfplatzes hockte. Fuchs! Der Junge kniete auf dem verwitterten Kapitell, angespannt und sprungbereit. Tak kniff misstrauisch die Augen zusammen.
    „Da steckst du also!“, murmelte er zu sich selbst, „Aber was bei Beliar hast du vor…?“

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    Fuchs sprang.
    Mit ausgestreckten Armen, in jeder Hand einen Dolch, katapultierte sich der seltsame Junge mit einer Kraft, die Tak ihm nicht zugetraut hätte, in die Luft, gerade als der Tempelwächter sich unterhalb der Säule befand. Er landete mit lächerlich einfach anmutender Eleganz auf dem Rücken des Monsters und rammte ihm von hinten beide Dolche gleichzeitig in den Hals.
    Der Tempelwächter, vollkommen überrascht von der Plötzlichen Attacke, kreischte heiser, ein hartes, mehr als unangenehmes Geräusch, bei dem sich Taks Nackenhaare aufstellten. Er schüttelte sich, sein Skorpionschwanz zuckte, aber ohne seinen Gegner sehen zu können, stach er nur in die Luft. Fuchs indessen hatte seine Waffen beide bis zum Heft zwischen Hals und jeweiligem Schulteransatz im Fleisch versenkt und hielt sich daran fest wie an zwei Griffen. Dunkles, zähflüssiges Blut sickerte aus den Wunden.
    „Wenn es blutet… können wir es töten!“, bellte Kjell und griff an, die Ablenkung ausnutzend. Der Tempelwächter reagierte, aber zu langsam – bevor er nach dem Nordmann schlagen konnte, hatte dieser seine Axt mit einem kraftvollen Hieb in die Flanke der Kreatur geschlagen, knapp oberhalb eines Beins. Und diesmal war es ihm auch gelungen, den harten Chitinpanzer zu durchbrechen. Das Monster stieß ein bedrohliches Fauchen aus und sein Skorpionschwanz schnellte vor, doch Kjell war aufmerksam und duckte sich zur Seite weg, so dass der Angriff ihn um Haaresbreite verfehlte. Aber es war knapp – knapper als es Kjell lieb gewesen war, wie Tak anhand der lautstarken Flüche des Nordmannes feststellen konnte.
    Der Tempelwächter war angeschlagen, aber noch lange nicht besiegt. Er bäumte sich auf und griff mit beiden Händen hinter sich, versuchte, Fuchs zu fassen zu kriegen, der noch immer auf seinem Rücken saß. Der Junge hatte jetzt Mühe, sich festzuhalten, und als der Tempelwächter ihn fast erwischte, musste er einen seiner Dolche loslassen, um den scharfen Klauen zu entgehen. Einen Moment lang schien es, als würde er gleich herunterstürzen, aber dann zog er sich wieder nach oben und packte wieder beide Dolche. Mit einer schnellen Bewegung zog er sie heraus und legte dann einen Arm um den Hals des Tempelwächters, um sich festzuhalten, während er den anderen Dolch präzise in das linke Auge des Monsters trieb.
    Das Kreischen des Tempelwächters war ohrenbetäubend und klang so falsch und verzerrt, dass man kaum glauben konnte, dass ein solcher Laut irgendwo in der Natur vorkommen konnte. Die Bestie raste, sie warf sich hin und her und schlug wild um sich, ihr Skorpionschwanz fegte über den Boden und riss Hasina von den Füßen, die mit jedoch mit einer eleganten Bewegung rasch wieder auf die Beine sprang und, eine Gelegenheit ausnutzend, ihren Speer in den weicher gepanzerten Bauch des Monsters rammte.
    Fuchs allerdings konnte sich jetzt nicht mehr halten. Der Tempelwächter warf ihn ab, wobei der Bursche mehrere Meter durch die Luft geschleudert wurde, bevor er unsanft auf den Boden prallte und benommen liegen blieb. Zu seinem Glück waren seine Kameraden zur Stelle, um das Monster mehr als ausreichend zu beschäftigen, so dass es nicht über ihn herfallen und ihn in Stücke reißen konnte.
    Die Waagschale des Kampfes neigte sich nun deutlich zu Gunsten der Menschen. Willem gelang es, mit einem gezielten Schwerthieb auf ein Gelenk eines der Beine der Bestie zu verkrüppeln, und Asha tat es Hasina gleich, indem sie unter einem wilden Prankenschlag wegtauchte und ihren Säbel einmal quer über den Unterbauch des Tempelwächters zog. Kjell versuchte es gar nicht erst mit Subtilität, er holte einfach zu einem gewaltigen Überkopfschlag aus und trennte mit einem einzigen Hieb den Skorpionschwanz der Bestie ab.
    Damit war der Kampf entschieden. Der Tempelwächter, verkrüppelt und halb wahnsinnig vor Schmerzen, taumelte wie ein Betrunkener und schlug nur noch blindlings um sich. Die Söldner hatten keine Mühe, den plumpen Angriffen auszuweichen und der Bestie zuzusetzen, bis sie letzten Endes entkräftet zusammenbrach. Es war Asha, die ihr den Todesstoß versetzte, indem sie ihr Schwert von unten durch das Kinn des Tempelwächters in dessen Kopf rammte.

    Tak nickte anerkennend, als er hinter seiner Deckung hervorkam, während Fuchs, der wieder zu sich gekommen war, ohne eine Gemütsregung zu zeigen seine Dolche aus dem Kadaver zog.
    „Hab dir doch gesagt, der Junge hat’s drauf!“, grinste Kjal und stieß Tak kumpelhaft mit dem Ellenbogen in die Seite, wofür Tak ihm am liebsten die Kehle herausgerissen hätte. Leider musste er diesen Impuls wohl oder übel unterdrücken… noch.
    „Ja, ich sehe, unsere Investition war gerechtfertigt“, sagte er stattdessen. Er musste zugeben, dass er tatsächlich ein wenig beeindruckt war von der Professionalität, dem Mut und auch dem Können der Söldner – man wusste bei diesen Kerlen nie, woran man wirklich war, bevor man sie kämpfen sah. Es gab genug Halsabschneider, die einfach mit einem riesigen Schwert am Gürtel herumrannten und einen auf Killer machten, obwohl ihre einzige Kampferfahrung aus Kneipenschlägereien bestand.
    „Wenn hier so ein Biest herumgelungert hat – heißt das, wir haben unser Ziel gefunden?“, fragte Willem und nahm einen tiefen Zug aus seinem Wasserschlauch.
    „Vom rumstehen werden wir jedenfalls nicht schlauer!“, bemerkte Asha bissig und stapfte an ihm vorbei in Richtung der Ruine. Sie hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, das Blut des Tempelwächters von ihrer Klinge zu wischen. Tak und die Söldner folgten ihr.

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    „Hier! Hier könnte es sein!“, rief Asha.
    „Na endlich…“, grummelte Kjell und stapfte zu ihr. Sie suchten mittlerweile sicherlich seiner über einer Stunde das Innere der Tempelruine ab. Der Sand, der alles bedeckte, machte es ihnen nicht gerade einfach, ebenso wenig wie die Tatsache, dass sie nicht genau wussten, wonach sie eigentlich suchten. Der Eingang zu dem unterirdischen Grab konnte sonst wo sein.
    Asha kniete auf dem Boden und wischte den Sand von einer Bodenplatte. Der einstmals weiße Kalkstein hatte im Laufe der Jahrtausende eine rötlich-braune Färbung angenommen.
    „Toll. Ne Bodenplatte“, murrte Kjell, als er einen Blick auf Ashas Werk geworfen hatte, „Und wie kommst du jetzt auf die glorreiche Idee, dass ausgerechnet hier der Eingang liegen soll?“
    „Hieroglyphen“, antwortete Willem für Asha und deutete mit der Spitze seines Schwertes auf die flachen, aber doch sichtbaren Reliefs, die den Rand der Steinplatte zierten, „Ich glaube, das sind Schutzzauber oder Flüche oder sowas.“
    „Stimmt“, sagte Tak, der mittlerweile auch dazu getreten war, „Und zwar keine harmlosen…“ Er ging neben Asha in die Hocke und fuhr mit den Fingerspitzen über die uralten Schriftzeichen. Sie fühlten sich irgendwie unangenehm an und erweckten in ihm das Bedürfnis, die Hand zurückzuziehen, sich aus dem Staub zu machen und nicht noch einmal umzudrehen, ohne dass es einen erkennbaren Grund dafür gegeben hätte.
    Die Mage, gewirkt und in den Stein gewebt vor tausenden von Jahren, war noch aktiv.
    „Das ist der Eingang, zweifellos“, murmelte er und wischte gedankenverloren die Hand an seinem Kaftan ab.
    „Sehr gut! Und wie kriegen wir das Ding jetzt auf? Es muss doch irgendeinen Mechanismus oder sowas geben!“, rief Kjell, „Seht euch um, ein versteckter Hebel oder… was auch immer!“
    Asha hob den Kopf und maß den Nordmann mit verächtlichen Blicken: „So ein Blödsinn! Hast du nicht zugehört? Das Herz wurde hier begraben, um nie wieder ans Tageslicht zu kommen! Wieso bei Beliar hätten die Erbauer da einen Mechanismus zum Öffnen des Grabes konstruieren sollen?“
    „Ich…“, Kjell verstummte kurz, dann deutete er empört auf die Bodenplatte: „Und wie sollen wir dann da durchkommen? Das Ding wiegt doch garantiert hundert Zentner und ich kann mich nicht erinnern, dass wir einen Trupp Steinmetze im Gepäck hätten!“
    Asha erhob sich und grinste hinterlistig: „Und wenn wir genau das haben, du Einfaltspinsel?“
    „Was soll das heißen?“, fragte Kjell verwirrt.
    „Wir haben die nötigen Mittel. Ihr werdet schon sehen“, ging Tak dazwischen, bevor die Assassine und der Nordmarer ihr kindisches Gezänk fortsetzen konnten, „Aber zuerst müssen wir dafür sorgen, dass wir sicher sind. Diese Hieroglyphen – die sind nicht nur zum Spaß dort angebracht. Ich kann nicht genau sagen, was passieren wird, wenn wir uns den Weg bahnen, aber ich kann sagen – es wird nicht schön, wenn wir uns nicht vorbereiten.“
    Willem nickte langsam: „Verstehe. Was brauchen wir?“ Tak hatte den Eindruck, sobald etwas Grips gefragt war, rutschte der alte Soldat fast automatisch in die Rolle des Anführers der Söldnertruppe, ohne dass Kjell dagegen Einwände erhob.
    „Nur etwas Zeit, und eine möglichst saubere Fläche, auf der ich einen Schutzkreis anlegen kann“, antwortete er, „Und dann… betet einfach, dass es ausreicht.“

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    „Ich hoffe, das reicht wirklich aus!“, grunzte Kjell und schob seine Fußspitze in Richtung des Schutzkreises, den Tak in akribischer Feinarbeit auf eine gesäuberte Bodenplatte gezeichnet hatte. Tak packte den Nordmann an der Schulter und riss ihn mit einer Kraft, die Kjell nicht erwartet hätte, zurück, bevor dessen Stiefel den Schutzkreis berühren konnte.
    „Wenn du ihn verwischst, dann nicht mehr, du verdammter Hornochse!“, knurrte er und funkelte Kjell voller Verachtung an.
    Der Nordmarer kniff die Augen zusammen und bleckte herausfordernd die Zähne, trat dann aber zurück. „Wir werden ja sehen…“
    Der Kreis auf dem Boden war mit einer speziell angefertigten Tinktur aus Knochenasche, Silberstaub, Blut und anderen obskuren Ingredienzen gezeichnet worden, zusammengemischt nach jahrtausendealten Anweisungen, die von Nazirs Schwarzmagiern in mühevoller Kleinarbeit übersetzt und rekonstruiert worden waren. Es war Magie aus einer längst vergessenen Zeit, die selbst mächtige Magier wie Nazir selbst höchstens in Ansätzen verstanden. Die Symbole, die Tak gezeichnet hatte, sagten ihm größtenteils nichts – er musste einfach darauf hoffen, dass er sie gemäß seinen Vorlagen korrekt ausgeführt hatte und sie dann auch die beabsichtigte Wirkung entfalten würden.

    „Gut, es kann losgehen“, verkündete er, nachdem er sein Werk noch einmal gründlich auf Fehler überprüft hatte, „Stellt euch alle in den Kreis. Seht zu, dass kein Teil von euch, nicht einmal ein einzelnes Haar, aus dem Kreis herausragt, und berührt den Kreis selbst unter keinen Umständen! Habt ihr verstanden?“
    Die Söldner nickten und drängten sich in dem engen Schutzkreis zusammen. Er bot gerade genug Platz für die sechs Abenteurer, aber nicht viel mehr – je größer das Gebiet war, das man schützen wollte, umso länger fiel der Umfang des Schutzkreises selbst aus, was mehr Raum für Fehler ließ. Und Tak war niemand, der unnötige Risiken einging.

    „Toll, wir kuscheln, und jetzt?“, brummte Kjell missmutig, „Der Eingang ist dort drüben, und ich sehe nicht, wie wir ihn öffnen können, während wir in diesem… Zauberkreis, oder was das ist, herumstehen!“
    „Lass das unsere Sorge sein“, erwiderte Asha kühl, „Schau zu, vielleicht kannst du dabei noch was lernen!“ Aus einer Tasche an ihrem Gürtel zog sie eine lederne Mappe, in der sie einen Stapel von Pergamenten aufbewahrte. Sie blätterte kurz durch die Seiten und zog dann eines der Pergamente hervor. Es war mit arkanen Symbolen und Zeichnungen verziert und in der Mitte befand sich ein kurzer Text in schnörkeliger Handschrift. Die wenigen Zeilen wirkten geradezu platzverschwenderisch auf dem teuren Schreibmaterial.
    Asha begann, Worte in einer unverständlichen, melodischen Sprache zu intonieren, und vollführte dabei Gesten mit der freien Hand. Wenige Augenblicke später bildete sich außerhalb des Schutzkreises eine dunkle Wolke wirbelnder Magie, die schnell größer wurde und sich schließlich zu einer massiven, vage humanoiden Form verdichtete. Breitschultrig und langarmig überragte die Gestalt selbst den großgewachsenen Kjell, obwohl sie unverhältnismäßig kurze Beine hatte und ihr Kopf wirkte, als würde sie ihn zwischen die Schultern ziehen. Die Haut – oder was man dafür halten konnte – war grau und kantig. Schließlich verpuffte der letzte Rest des schwarzmagischen Nebels und der Steingolem stand regungslos vor ihnen, auf Befehle wartend, während die Schriftrolle in Ashas Händen zu Staub zerfiel, der von einer leichten Brise davongetragen wurde.

    Tak musste sich beinahe zurückhalten, Asha nicht aus blankem Neid einen Dolch in den Rücken zu rammen, während sie den Zauber ausführte. Sie war keine Magierin, aber zumindest konnte sie die Schriftrollen verwenden, die Nazir ihnen zur Verfügung stellte – ihm selbst war nicht einmal das mehr vergönnt! Aus irgendwelchen Gründen war seine einstige Verbindung zur Magie so vollständig abgerissen, dass das magische Pergament in seinen Händen so trocken und leblos blieb wie die Rechnungsbücher des Ordens. Er konnte die Worte sprechen, die Gesten vollführen, sich auf den Kopf stellen und mit dem Schwanz wedeln – nichts geschah. Die niederste Form der Magie, und nicht einmal dazu war er mehr in der Lage.
    Bald!, erinnerte er sich und schluckte seinen verletzten Stolz und seinen Hass herunter, Bald! Wenn alles gut lief, würde er diese Scharade nicht mehr viel länger ertragen müssen.

    „Aevaed!“, wandte sich Asha an den Golem mit der einer alten Sprache entstammenden Bezeichnung für ‚Diener‘, „Hebe die Platte dort hinfort oder zerstöre sie – öffne einen Weg in das Gewölbe, das darunter liegt!“
    Der Golem drehte sich um und stapfte zu der Bodenplatte, unter der sie den Eingang in das Grabgewölbe vermuteten. Er hob die gewaltigen Arme, ballte die rudimentären Finger zu Fäusten und ließ sie mit brachialer Gewalt auf den Kalkstein herabdonnern. Eine Staubwolke wurde aufgewirbelt und an den Stellen, wo der Golem zugeschlagen hatte, zogen sich Risse wie Spinnweben durch das Gestein. Die magische Kreatur schlug erneut zu und die Kalksteinplatte zerbarst unter der Gewalt der Granitfäuste. Sie brach in drei Teile und sackte nach unten zusammen, wobei sie den Blick auf uralte Treppenstufen freigab.
    Im selben Moment ertönte ein Geräusch wie ein langgezogenes, klagendes Stöhnen, so tief und dröhnend, dass man es mehr spüren als hören konnte, und das Licht nahm plötzlich eine seltsame bläuliche Farbe an. Dinge, formlose Schatten, die Schlieren durch die Luft zogen, entwichen aus dem geöffneten Grab. Sie wirbelten herum und umkreisten einander, kreischten und zischten dabei, schossen zuerst in Richtung Himmel davon, machten dann aber kehrt und rasten auf den Golem zu. Dieser stand unbeweglich da, sein Auftrag erfüllt, als die wirbelnden Schatten in zuerst einhüllten und dann begannen, nicht nur um ihn herum zu tanzen, sondern durch seinen Körper hindurch schossen. Innerhalb von Sekunden bildeten sich Risse, die rasch größer wurden, und wenige Augenblicke später explodierte der Golem förmlich, als seine Angreifer ihn von innen heraus zerrissen.

    Die Schatten stoben davon, aber sie brauchten nicht lange, um weitere Feinde ausfindig zu machen. Sie begannen, um den Schutzkreis herumzutanzen, zunächst noch aus einiger Entfernung, aber rasch näherkommend.
    Tak presste die Lippen aufeinander, seine Hand ruhte auf dem Griff seines Schwertes, auch wenn er genau wusste, dass die Waffe gegen das, was da kam, vollkommen nutzlos war. Er konnte nicht sagen, was genau sie nun erwartete – alles, was blieb, war zu hoffen, dass der Schutzkreis stark genug sein würde, dem Angriff standzuhalten.
    Wenn nicht, würde nicht einmal Beliar selbst sie mehr vor dem Zorn des Alten Volkes retten können…

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    Mit einem markerschütternden Kreischen stürzte sich der erste Schatten auf die kleine Gruppe, die dicht zusammengedrängt in dem Schutzkreis ausharrte. Tak hielt unfreiwillig den Atem an. Der Angreifer war nichts als ein konturloser Schemen, aber die Vernichtung des Golems hatte mehr als deutlich gemacht, wozu die magischen Wächter im Stande waren. Wenn der rituelle Zirkel nicht hielt…
    Ein gleißender Lichtblitz, begleitet von einem lauten Knall, zeigte, dass der Schutzkreis seine Wirkung entfaltete. Das schattenhafte Wesen wurde von der Gewalt der magischen Entladung zurückgeschleudert. Tak konnte kaum noch etwas sehen wegen der Nachbilder, die sich in seine Netzhaut gebrannt hatten, und seine Ohren klingelten, aber dennoch lächelte er zufrieden. Es war ein Wagnis gewesen, sich auf die uralte und kaum verstandene Magie zu verlassen, aber es hatte sich ausgezahlt.
    „Bei Beliars Eiern… was für eine Scheiße!“, rief Kjell, der mit beiden Händen seine Axt umklammerte und sich im Angesicht von Gegnern, denen er nicht den Kopf abhacken konnte, ein wenig unwohl zu fühlen schien. Willem hatte ebenfalls einen verbissenen Gesichtsausdruck, trug aber zugleich auch eine stoische Entschlossenheit zur Schau, während Hasina unruhig hin und her wippte. Und Fuchs… Der rothaarige Bursche sah so aus, als würde ihn das alles nichts angehen.
    „Verwende den Namen des dunklen Herrn nicht für deine Profanitäten, du Wurm!“, zischte Asha ungehalten, aber Kjell achtete gar nicht auf sie. Sein Blick war auf die um sie herumwirbelnden Schatten fixiert.
    „Bewahrt Ruhe! Der Schutzkreis hält!“, rief Tak über das Heulen und Fauchen der Schemen hinweg, „Wir müssen nur eine Weile ausharren, bis die Verteidigungszauber des Grabes ihre Kraft verlieren – dann werden diese Dinger da ganz von selbst verschwinden!“
    „Ich hoffe bloß, dass du Recht hast!“, knurrte Kjell, „Denn wenn nicht, sitzen wir ziemlich tief in der Scheiße!“
    „Pass einfach auf, dass dein fetter Arsch innerhalb des Kreises bleibt“, antwortete Asha abfällig und Tak verdrehte genervt die Augen. Wieso hielt sie es für eine gute Idee, ausgerechnet in der jetzigen Situation zu versuchen, den Nordmarer zu provozieren? Zum Glück ließ sich Kjell nicht so leicht aus der Reserve locken. Falls er Ashas Worte gehört hatte und sie ihn verärgerten, dann war er professionell genug, es sich nicht anmerken zu lassen.

    Die schattenhaften Wächter des Grabes umkreisten die Gruppe weiterhin in ihrem wilden Tanz und versuchten immer wieder, den Schutzkreis zu durchbrechen. Jedes Mal wurden ihre Attacken jedoch mit einem Knall und einem Lichtblitz zurückgeworfen, und die Schutzmagie leuchtete als rot-goldener Schirm auf, als wäre das Licht der Abendsonne eingefangen und zu einem schützenden Netz verwebt worden, das sich um Tak, Asha und die Söldner legte. Tak beobachtete die Schatten und fragte sich, worum genau es sich bei diesen ‚Wächtern‘ eigentlich handeln mochte – waren sie tatsächlich irgendeine Art magischer Kreaturen wie Golems oder Irrlichter? Oder handelte es sich bei ihnen nur um die Manifestation eines Zaubers oder eines Fluchs? Er wusste es nicht, und die Stellen aus den alten Texten, die sich mit den Abwehrmechanismen der Gräber befassten, waren viel zu vage gehalten, um aus ihnen zu endgültigen Schlussfolgerungen zu gelangen. Aus gutem Grund, sollte doch niemand einfach so an den Wächterzaubern vorbeikommen können. Dass Nazir und seine Anhänger die Formel für den Schutzkreis hatten rekonstruieren können, grenze schon beinahe an ein Wunder.

    „Was ist das?“, rief Hasina plötzlich und riss Tak aus seinen Gedanken. Sie deutete auf eine Stelle des Schutzkreises, wo dünne Rauchfahnen von einer der Hieroglyphen ausgingen. Die Substanz, mit der sie auf den Boden gemalt war, warf winzige Blasen, als würde sie kochen, und die scharfen Konturen der Hieroglyphe begannen zu verschwimmen. Im selben Moment prallte wieder einer der Schatten gegen die Barriere, genau über jener Stelle, an der die Hieroglyphe schmorte, was dazu führte, dass eine Sekunde lang eine kleine Flamme aus dem uralten Symbol emporzüngelte und dieses geschwärzt und noch undeutlicher als zuvor zurückließ. Ein leichtes Flackern ging durch das rotgoldene magische Gespinst.
    Tak presste einen leisen Fluch zwischen den Zähnen hervor und schlug das Büchlein auf, in dem er die Anweisungen zur Erstellung des Schutzkreises notiert hatte. Inzwischen hatten weitere Hieroglyphen angefangen, zu rauchen und zu kochen, während die Gewalt der Angriffe durch die Schatten nicht nachließ.
    Der Schutzkreis war dabei, zusammenzubrechen!

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    Tak blätterte hastig durch das Büchlein auf der Suche nach einer Lösung für das Problem. Unterdessen hatte er den Eindruck, dass die Schatten nicht mit der Zeit schwächer wurden, sondern ihre Angriffe noch verstärkten – merkten sie, dass die Barriere, die sie von ihrer Beute fernhielt, zu bröckeln begann? Mit jeder neuen Attacke fingen mehr Hieroglyphen und Schutzsymbole an, in Rauch und Feuer aufzugehen…
    „Wenn du etwas vorhast, dann wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt“, stellte Asha mit emotionslosem Fatalismus fest.
    Tak fuhr mit dem Finger über die eng beschriebenen Zeilen. Er hatte gefunden, was er suchte, aber das warf neue Probleme auf: „Ich muss die Siegel, die von der Magie verzehrt werden, wieder festigen. Allerdings ist der Schutzkreis während des Vorgangs stark geschwächt und teilweise inaktiv, durchlässig im schlimmsten Fall. Wir wären verletzlich. Ich kann das nicht durchführen, solange wir konstant angegriffen werden – wir müssen die Schatten irgendwie ablenken!“ Er sah Asha an und deutete auf die Ledermappe, in der sie die Spruchrollen aufbewahrte. „Was hast du anzubieten?“
    Asha zog ein Pergament heraus und runzelte die Stirn: „Ich hoffe, das ist es wert…“
    „Wir können auch einfach draufgehen, wenn dir das lieber ist!“, knurrte Tak unwirsch, „Beeil dich, verdammt nochmal!“

    Die Assassine begann mit einer komplizierten Beschwörung, während Tak die Flasche mit der Farbtinktur hervorholte, die er für das Nachzeichnen des Schutzkreises benötigte. Allerdings würde die Grundmischung diesmal nicht ausreichen – er musste ihr etwas hinzufügen, um ihre Kraft zu verstärken, und da gab es im Bereich der schwarzen Magie kaum ein Mittel, das so potent war wie frisches, warmes Blut. Der einstige Druide verzog keine Miene, als er sich an der Klinge seines Schwertes einen tiefen Schnitt im Unterarm zufügte und das Blut in der Flasche auffing.
    Der Schutzkreis flackerte inzwischen beständig, wie ein Feuer, das im Begriff war, zu erlöschen, und einzelne Hieroglyphen waren bereits bis zur völligen Unkenntlichkeit verbrannt. Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Brüllen und die Attacken gegen den Schutzkreis hörten mit einem Mal auf, als die Schatten davonstoben. Tak hob den Blick und sah, was Asha herbeigerufen hatte: Eine beinlose, geflügelte Kreatur schwebte knapp außerhalb des Schutzkreises , das riesige Maul voller dolchartiger Reißzähne, Klauen wie Krummschwerter und kleine, rote Augen, die vor höllischem Feuer zu brennen schienen. Einer der Wächterschatten stürzte sich auf die neue Bedrohung, doch der Dämon schlug mit atemberaubender Geschwindigkeit zu und erwischte den Schatten in der Luft. Violettes Feuer explodierte, wo das Höllenwesen den Schatten getroffen hatte, und die Erscheinung zerstob wie eine Nebelwolke.
    „Ha!“, rief Asha triumphierend, „Beliar sei gepriesen! Kämpfe, Diener des dunklen Meisters, kämpfe und vernichte diese lächerlichen Ausgeburten niederer Magie!“ Die Assassine fletschte die Zähne und hatte ein fast schon irres Glitzern in den Augen, als der Dämon sich fauchend auf seinen eigentlich viel zu kleinen Schwingen in die Luft erhob, um ihrem Befehl Folge zu leisten.
    Ob du dich da nicht etwas zu früh freust…, dachte Tak, aber die Hauptsache war, dass der eigentliche Plan aufging: Die Schatten richteten ihre Aufmerksamkeit auf die neue Bedrohung und ließen von dem Schutzkreis ab. Tak schüttelte die Flasche gründlich, um das Blut mit der Farbe zu vermischen, zog einen Pinsel hervor und machte sich an die Arbeit.

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    In der Luft entbrannte ein gnadenloser Kampf. Der Dämon war offensichtlich weit besser in der Lage, sich mit den gestaltlosen Schattenwächtern zu messen, als zuvor der Golem. Er teilte mit seinen mächtigen Pranken gewaltige Hiebe aus, die zwar oft ihr schwer fassbares Ziel verfehlten, aber wenn sie trafen, dann wurde ein Schatten von einem plötzlichen Ausbruch schwarzer Magie zerrissen.
    Trotzdem wurde Tak rasch klar, dass der Dämon den Kampf am Ende nicht gewinnen konnte. Die Schatten, die er erwischte, zerstoben zwar und schienen sich zunächst zu verflüchtigen, aber sie begannen nach wenigen Augenblicken damit, sich wieder zusammenzufügen und es dauerte nicht lange, bis ein zuvor getroffener Schatten sich erneut auf seinen Gegner stürzte. Zwar schien der Dämon über etwas wie einen eigenen magischen Schutz zu verfügen, oder es war einfach seien dämonische Natur, die die Schatten daran hinderte, ihn von innen heraus zu zerfetzen, wie sie es mit dem Golem getan hatten, aber das finstere Wesen wurde von den Attacken seiner Gegner hin und her geworfen. Egal wohin es sich wandte, immer wurde es von allen Seiten angegriffen. An zahlreichen Stellen war seine schuppige schwarze Haut bereits aufgebrochen und zerkratzt, seine Flügel waren zerfetzt, die Flughaut hing in blutigen Streifen von den Knochen. Und doch schlugen sie unaufhhörlich in ihrem unveränderlichen Rhythmus – zum Glück benötigte er sie nicht tatsächlich, um sich in der Luft zu halten.

    Unterdessen beeilte sich Tak, die Hieroglyphen des Schutzkreises zu erneuern. Es war keine einfache Aufgabe, jeder einzelne Pinselstrich musste mit Präzision ausgeführt werden, um die Wirkung des Schutzkreises nicht zu beeinträchtigen, und einige der Symbole waren schon so weit verbrannt, dass sie überhaupt nicht mehr zu erkennen waren, so dass Tak sie von Grund auf neu zeichnen musste. Immer wieder warf er einen kurzen Blick über die Schulter, und jedes Mal sah der Dämon ein Stück mitgenommener aus, seine Hiebe waren ein wenig langsamer, mehr der dickflüssigen, fast schwarzen Substanz, die man wohl als das Blut des Höllenwesens bezeichnen konnte, sammelte sich auf dem Boden unter dem Kampfplatz…
    „Asha!“, rief Tak, ohne sich von seiner Arbeit abzuwenden, „Der Dämon macht es nicht mehr lange. Ich brauche mehr Zeit! Denk dir was aus!“
    „Was ausdenken? Verflucht nochmal, was glaubst du, wer ich…“
    „Tu etwas, oder wir sind so gut wie tot!“, schnitt Tak ihr unwirsch das Wort ab.
    Asha fluchte und begann, durch den Stapel mit den verbliebenden Schriftrollen zu blättern. Schließlich zog sie eine hervor, wobei sie jedoch zweifelnd die Stirn runzelte. „Okay, keine Ahnung, ob das funktionieren wird…“
    „Was auch immer es ist, probier es einfach! Ich bin fast fertig, ich brauche nur noch ein paar Minuten! Schaffst du das?“

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    Asha trat näher an den Kampf zwischen dem Dämon und den Schatten heran, hob die Arme und bellte befehlende Worte in einer alten Sprache, wie Nazir höchstselbst sie ihr beigebracht hatte. Als die Spruchrolle in ihrer Hand daraufhin zu Staub zerfiel, ließ der Dämon plötzlich von seinen Gegnern ab und wandte sich Asha zu. Kurz ruhte der Blick seiner höllisch glühenden Augen auf ihr. Asha schauderte – es war, als könnte sie abgrundtiefen Hass und Verachtung in den verzerrten Gesichtszügen der infernalischen Kreatur lesen. Und angesichts dessen, was sie von dem Dämon verlangte, diesem herrlichen, reinen Diener des dunklen Gottes, war sie darüber nicht einmal überrascht…
    Mit einem Mal schlug sich der Dämon die dolchartigen Klauen in die eigene Brust. Er gab keinen Laut von sich, nichts als das beständige Flappen der zerfetzten Flügel, schaute nur auf Asha herab… vorwurfsvoll? Dann vernahm sie das Reißen schuppiger Haut, das Knirschen und Bersten von Knochen, als der Dämon seinen eigenen Körper aufriss und sein schlagendes, schwarzes Herz entblößte.
    „Verzeih…“, hauchte Asha. Das Herz des Dämons glühte auf und grelle Flammen schossen aus ihm hervor, die den Körper des Wesens innerhalb eines Bruchsteils eines Augenblicks vollständig einhüllten. Das Spektakel dauerte nur wenige Sekunden, dann war der Dämon vollständig zu Asche verbrannt – Asche, die sich auf ihr niederließ, ihre Haut mit einem dünnen, pechschwarzen Film bedeckte, der sich nicht wegwischen ließ.
    Asha zog ihr Schwert und hob den Kopf, breitete herausfordernd die Arme aus. Über ihr wirbelten die Wächterschatten. Die Assassine bleckte die Zähne.
    „Kommt schon, worauf wartet ihr, heh?“

    Die Schatten ließen sich nicht lange bitten. Da der Dämon verschwunden war, stürzten sie sich auf ihr nächstes Ziel – Asha. Die Assassine war athletisch und hatte ein gutes Auge für herankommende Angreifer, und als der erste Schatten sich heulend auf sie stürzte, hechtete sie zur Seite, rollte sich elegant ab und war wieder auf den Füßen, bevor der nächste Angriff erfolgte.
    Eine Ausweichbewegung mit dem Oberkörper, ein schneller Seitwärtsschritt, ein Sprng nach hinten – wie eine Tänzerin, akrobatisch und elegant, schlängelte sich Asha zwischen den Schatten hindurch. Aber es waren zu viele und sie waren zu schnell, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis eine der formlosen Kreaturen sie erwischen würde…
    Die Wucht des plötzlichen Aufpralls ließ Asha taumeln, aber der Schatten selbst prallte von einer Barriere ab, die sich einen Moment lang als violetter Schimmer manifestierte. Die Assassine rezitierte ein kurzes Dankgebet an Beliar – sie war sich nicht sicher gewesen, ob ihr Plan aufgehen würde, aber das Opfer, das der Dämon gebracht hatte, war nicht umsonst gewesen. Seine unheilige Lebenskraft hatte sich als schützende Aura auf sie gelegt und davor bewahrt, von dem wütenden Schatten in Stücke gerissen zu werden.

    Der Wächter stieß ein markerschütterndes Kreischen aus und schoss zurück gen Himmel, um dann kehrt zu machen und sich erneut auf Asha zu stürzen. Asha duckte sich unter einer weiteren Attacke hindruch und schlug zugleich mit ihrem Krummsäbel zu, aber die Klinge glitt durch den Körper der Kreatur wie durch Rauch und Nebel – sofern es sich überhaupt um eine Kreatur handelte, die so etwas wie einen Körper besaß. Erneut wurde sie zur Seite gestoßen, als einer der Wächterschatten an der Aura abprallte, die sie umgab, und gleich daruf wurde sie von einem zweiten Angriff getroffen und stürzte der Länge nach auf den Boden. Als sie versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, wurde sie beinahe erneut umgeworfen und taumelte ein paar Schritte nach vorn, ehe sie wieder festen Stand hatte.

    „Verdammt, wie lange brauchst du noch?“, rief sie Tak zu. Der Kerl kniete noch immer auf dem Boden und pinselte irgendwelche Zeichen auf den Stein. Er drehte sich nicht einmal um, geschweige denn, dass er antwortete. Asha fluchte innerlich. Warum Nazir so viel Vertrauen in dieses arrogante fremdländische Arschloch legte, war ihr noch immer schleierhaft. Sicher, er wusste eine Menge und hatte sich in den vergangenen Jahren als äußerst nützlich erwiesen, aber sie traute ihm einfach nicht über den Weg. Während sie ihre Gebete und Opfergaben an Beliar mit der inbrünstigen Überzeugung eines wahren Gläubigen verrichtete, wurde sie bei Tak das Gefühl nicht los, dass er nur die Bewegungen imitierte und die Formeln heruntersagte, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Und seine Unfähigkeit, Magie zu verwenden, obwohl er über ein solch umfangreiches theoretisches Wissen verfügte – war das nicht vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Götter ihn verflucht und verlassen hatten? Konnte sie so einem Menschen trauen? Nein. Tak war gefährlich, und sie würde erst dann wirklich ruhig schlafen können, wenn sie ihm die Kehle durchgeschnitten hatte und die Geier seine Knochen blank pickten. Aber dafür durfte er sie nicht vorher erwischen…

    „Uff!“ Ein weiterer Stoß durch einen Angriff ließ Asha sich zusammenkrümmen. Die violette Aura leuchtete inzwischen fast konstant auf und Asha spürte, wie ein energetisches Kribbeln, begleitet von einer unnatürlichen Kälte, durch ihren Körper strömte. Sie hatte das Gefühl, als würde ihre Sicht verschwimmen, ihre Muskeln fühlten sich schlaffer an, ihre Reflexe träger – der Schutzzauber war kurz davor, zusammenzubrechen, die Energie des Dämons aufgebraucht, so dass die dunkle Magie ihre eigene Lebenskraft anzapfte, um sich noch ein wenig länger aufrecht erhalten zu können. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr, bevor die Schutzaura zerplatzen würde wie eine Seifenblase und die verfluchten Wächterschatten ungehindert ihr Innerstes nach Außen kehren konnten… Ob Tak vielleicht genau das beabsichtigte? Sie fixierte den Bücherwurm mit einem mörderischen Blick, fletschte die Zähne und hob ihr Schwert.
    Wenn, dann würde sie nicht allein draufgehen…

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    Es dauerte keine Sekunde. Asha machte einen Satz auf Tak zu, ihr Säbel schoss auf seinen Nacken herunter. Im selben Augenblick sprang Tak mit einer Geschwindigkeit, die sie ihm niemals zugetraut hätte, auf, zog irgendwo unter seinem Kaftan einen Dolch hervor, mit dem er mit einer einzigen fließenden Bewegung ihre Klinge zur Seite lenkte. Ihr eigener Schwung und ihre Überraschung darüber, dass ihr Angriff abgewehrt worden war, trugen sie auf ihn zu, in seine Reichweite. Tak packte sie am Kragen. Einen Herzschlag lang trafen sich ihre Blicke – ihrer voll Wut, Hass und Verachtung, seiner vollkommen leer – dann riss er sie mit einem Fußfeger von den Beinen, hielt sie aber weiterhin fest und beförderte sie auf diese Art in den wiederhergestellten Schutzkreis. Nicht eine Sekunde zu früh…

    Während die Wächterschatten wieder ohnmächtig gegen die Barriere anrannten, zog Tak Asha auf die Füße.
    „Alles in Ordnung?“, fragte er scheinheilig. Asha hielt den Griff ihres Schwertes so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, und starrte ihn an. Taks Dolch hingegen war so schnell wieder verschwunden, wie er zuvor aufgetaucht war.
    „Alles… bestens“, brachte sie schließlich mühsam hervor. Tak lächelte und versuchte nicht einmal, die Falschheit seines Lächelns zu verbergen.
    „Gut! Gut. Denn wir haben noch eine Mission zu erledigen“, raunte er. Asha schnaufte und rammte ihr Schwert zurück in die Scheide. Ja, sie hatten noch eine Mission zu erledigen. Und er hatte wohl doch nicht versucht, sie umzubringen.
    Noch nicht…

    „Was war’n das eben?“, wollte plötzlich Kjell wissen. Er hatte die Augen misstrauisch zusammengekniffen.
    „Was?“, fragte Tak.
    „Sie!“ – der Nordmann deutete auf Asha – „Es sah aus, als ob…“
    „Sie ist gestolpert“, stellte Tak fest mit einem Tonfall, der klar machte, dass das Gespräch beendet war.
    Kjell zuckte mit den Schultern: „Okay, wennde meinst…“

    Sie warteten wieder. Schweigend, angespannt. Die Wächter stoben noch immer um den Schutzkreis herum, griffen wieder und wieder an. Die Runen fingen erneut an zu kochen und zu rauchen.
    Aber diesmal wurden die Attacken nach und nach schwächer. Die Schemen wurden langsamer, ihre Angriffe entzogen dem Schutzzauber nicht mehr so viel Energie. Ihre Konturen verloren an Schärfe, wurden durchscheinender. Und schließlich verschwanden sie, einer nach dem anderen – so, als hätten sie niemals existiert…
    Nachdem der letzte der Schatten sich in Luft aufgelöst hatte, blieb nur eine unheimliche, erwartungsvolle Stille.
    Tak sah zu Asha und den Söldnern und machte einen Schritt aus dem Schutzkreis. Einen Moment lang hielt er die Luft an, aber nichts geschah. Ein zufriedenes Lächeln huschte kurz über sein Gesicht.
    „Wie knapp war es?“, wollte Kjell wissen.
    Tak zuckte mit den Schultern. „Ist das wichtig? Die wirkliche Herausforderung liegt noch vor uns!“ Er machte eine einladende Geste in Richtung des offenen Grabes: „Nach euch, meine Freunde!“

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    Die Luft in der uralten Grabstätte roch stickig und abgestanden. Es war erstaunlich warm, fast so warm wie an der Oberfläche, obwohl sie sich sicher über zehn Spann tief unter der Erde befanden. Die Wände waren anfangs noch gemauert gewesen, hier unten jedoch waren sie bereits in den gewachsenen Fels gemeißelt.
    Sie bewegten sich langsam und vorsichtig vorwärts. Der enge Gang erlaubte nur, dass sie hintereinander gingen. Hasina bildete die Spitze – ihre Körperhaltung war leicht geduckt und angespannt, jederzeit zum Sprung bereit. Sie hatte einen federleichten Schritt und mit ihrem Speer prüfte sie konstant den Boden vor sich. Ihr folgte Kjell, der seine in den beengten Verhältnissen unpraktische Zweihandaxt wieder auf den Rücken geschnallt und stattdessen den Sax gezogen hatte, den er als Zweitwaffe mit sich führte. Willem hatte seinen Speer an der Oberfläche zurückgelassen und war mit einem Kurzschwert bewaffnet, sein Schild hing an einem Riemen auf einem Rücken, so dass er die Hand für eine Fackel frei hatte. Ihm folgten Tak, Asha und als letzter schließlich Fuchs, die alle drei darauf verzichteten, mit bereits gezogener Waffe herumzulaufen und lediglich jeweils ihre Fackel trugen.
    „Irgendwie… ist das hier anders als die Gräber und Tempel, die ich vom alten Volk sonst so kenne“, sinnierte Willem, „So schmucklos!“
    Der Veteran hatte recht. Die Wände des Ganges, dem sie nun schon seit mehreren Minuten folgten, waren bar jeder Dekoration. Keine Reliefs, keine Bemalungen – nur glattpolierter, dunkler Stein.
    „Normalerweise wurden die glorreichen Taten der bestatteten Könige und Priester verewigt“, erläuterte Tak, „Selbst wenn es nach der Versiegelung des Grabes niemanden mehr gab, der sie hätte lesen können, galt schon der Akt des Niederschreibens als eine Art magischer Ritus, um ihr Andenken zu perpetuieren. Dass die Wände hier kahl sind, bedeutet… dass man sich nicht an den hier bestatteten erinnern sollte.“
    „Verdammnis durch Vergessen“, murmelte Willem und nickte, „Der wahre Tod. Erst wenn sich niemand mehr an einen erinnert, ist man wirklich gestorben…“
    „Ha, dann haben sie aber ´nen ziemlich beschissenen Job gemacht, sonst wär’n wir jetzt nicht hier!“, rief Kjell und lachte kehlig. Tak musste zugeben, dass der Nordmann da einen Punkt hatte.
    „Manchmal ist der Schatten eines Mannes einfach zu groß, um ihn zu verdecken. Selbst wenn man es mit aller Kraft versucht, über tausende Jahre und hunderte Generationen. Das sollte euch bewusst machen, womit wir es hier zu tun haben.“
    „Oh, das ist mir bewusst“, knurrte Kjell, „Wir haben es hier mit etwas zu tun, das garantiert noch ein paar Mal versuchen wird, uns umzubringen! Das ist alles, was mich gerade interessiert.“
    „Sehr richtig“, pflichtete Asha ihm säuerlich bei, „Also haltet doch einfach die Münder geschlossen und die Augen offen, ja? Sonst krieg ich noch Kopfschmerzen…“
    Zu Taks Überraschung sparte sich Kjell eine provokante Antwort und gab tatsächlich Ruhe, so dass nur noch das Geräusch ihrer Schritte zu hören war, während sie dem leicht abschüssigen Gang weiter in die Tiefe folgten.

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    Hasina hob die Hand und die Gruppe blieb stehen. Niemand rührte sich und alles, was noch zu hören war, waren die leisen Geräusche ihres Atems.
    „Was ist?“, zischte Kjell nach einer Weile.
    „Der Gang endet“, erläuterte Hasina flüsternd, „Er führt in eine Halle. Aber irgendwie … ist die mir nicht geheuer. Hier, am Durchgang – Hieroglyphen. Die ersten, seit wir das Grab betreten haben.“
    Tak schob sich zur Spitze der Gruppe und betrachtete das Geschriebene. Es war nicht einfach, die alte alte Sprache aus dem Stand zu lesen. Viele Zeichen hatten mehrere Bedeutungen, die Schreibrichtung konnte variieren und zudem wurden die Hieroglyphen stets so angeordnet, dass sie schöen Quadrate ergaben – die Optik war wichtiger, als einen problemlosen Lesefluss zu ermöglichen. Aber Tak brauchte auch nicht jedes Detail des Textes zu verstehen, die zentrale Botschaft war klar:
    „Eine Warnung. Wir haben hier nichts verloren und sollen umkehren, sonst werden unsere … Gliedmaßen abgetrennt, äh … Körper … verdorren? Vertrocknen? Altern? Augen zu Staub, mh … Schreie ersticken … Gedärm … verspeist? Die Wächter schlafen …? Nein, schlafen niemals! Ja, das ergibt Sinn. Mhm … naja, und so weiter.“ Tak trat einen Schritt zurück und sah zu Kjell. Der große Nordmann wirkte unsicher.
    „Wieder so eine Magie-Scheiße wie oben?“, wollte er wissen. Tak zuckte mit den Schultern.
    „Der Text selbst ist in diesem Fall nicht magisch. Nur eine Warnung. Was uns da drin erwartet – Wächter? Könnte alles mögliche sein.“ Er lächelte kalt. „Jedenfalls sind Hindernisse wie diese genau der Grund, warum wir euch angeheuert haben.“
    Kjell grunzte etwas unverständliches und Hasina warf Tak einen Blick zu, der keinen Zweifel daran ließ, was sie ihm gerade alles an den Hals wünschte. Tak interessierte das allerdings herzlich wenig.
    Er zog eine der Reservefackeln hervor, die er mit sich führte, entzündete sie und warf dann die alte Fackel in den Raum. Der Saal war zu groß, als dass der Fackelschein ihn gänzlich hätte erleuchten können, aber er schien rund zu sein und an den Wänden ließen sich die Konturen von Statuen ausmachen. Gespannt warteten sie, was passieren würde, aber es geschah nichts.
    „Weiter“, knurrte Tak, an Kjell gewandt. Der Nordmann zögerte einen Moment, aber dann siegte die Gier über die Vernunft. Immerhin hatten sie gewusst, dass es gefährlich werden würde, aber die Beute würde das Risiko wert sein. Er hob kampfbereit seinen Sax, schob sich an der zögernden Hasina vorbei und betrat die Kammer.
    Vorsichtig setzte Kjell einen Fuß vor den anderen. Für einen Mann seiner Größe und Statur konnte er erstaunlich leichtfüßig sein. Hasina und Willem folgten ihm, während Tak, Asha und Fuchs noch im Gang warteten.
    Kjell hatte mittlerweile die Mitte der Kammer erreicht. Sie maß etwa fünfzehn Schritte im Durchmesser und war abgesehen von den Statuen an den Wänden so schmucklos wie der Rest des Grabes, das sie bislang gesehen hatten. An der gegenüberliegenden Seite führte ein weiterer Gang tiefer ins Erdreich.
    „Hier ist nichts“, brummte Kjell, „Ich glaube, die wollten uns verar–“
    Es knirschte, als eine der Statuen plötzlich Risse bekam und wenige Sekunden später mit dem Geräusch zerbrechender Keramik in tausend Scherben zersprang, wobei sie eine Staubwolke aufwirbelte. Die Söldner fuhren herum und hoben ihre Waffen.
    Der Staub legte sich, und sie standen dem Wächter gegenüber.

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    Tak hatte in seinem Leben schon ein ums andere Mal gegen Untote gekämpft, von einfachen Zombies über Skelette bis zu Monstrositäten, die aus den Knochen verschiedener Wesen zusammengefügt waren. Und sie alle hatten eines gemeinsam gehabt: Sie waren willenlose Automaten gewesen, gesteuert vom Willen ihrer Herren oder etwas, das man vielleicht als das magische Äquivalent von Instinkt bezeichnen konnte. Ein Zombie trachtete einfach nur danach, seinem Opfer das Fleisch von den Knochen zu reißen, um damit seinen eigenen unstillbaren Hunger zu besänftigen. Und auch jene Untote, die noch über gewisse Fähigkeiten verfügten – oft die skelettierten Überreste von Kriegern, die von einem mächtigen Beschwörer zum Leben erweckt worden waren – folgten nur dem Kommando, das jeweils in ihr magisches Bewusstsein eingebrannt war.
    Diese Seelenlosigkeit gehörte zu den Dingen, die Untote normalerweise so furchterregend machte. Man konnte nicht mit ihnen verhandeln. Man konnte sie nicht einschüchtern oder überlisten, man konnte sie nicht um Gnade anflehen.
    Um so überraschter war Tak, dass er in den künstlichen Augen dieses Untoten eindeutig eine Seele erkennen konnte – ein Bewusstsein!

    Die zerborstene Statue hatte den Blick auf eine Gestalt freigegeben, deren Körper gänzlich in uralte, fleckige Bandagen gehüllt war. Die Mumie trug eine antike bronzene Rüstung aus Brustpanzer, Helm, Arm- und Beinschienen, die einst golden im Sonnenlicht gefunkelt haben mussten, inzwischen aber gänzlich von Grünspan bedeckt waren. Seine Augen aber waren durch Kristallkugeln ersetzt worden, in denen weißes, magisches Licht glomm.

    Der Wächter machte einen Schritt nach vorn, blieb stehen und zog ohne Eile ein Schwert aus der Scheide an seinem Gürtel. Der Griff der Waffe war aus Bronze und Elfenbein, beides vom Alter verfärbt, aber die Klinge schimmerte im Fackellicht in einem klaren, bläulichen Silber. Die Schneide sah so rasiermesserscharf aus, als ob sie eine Feder zerteilen könnte, die auf sie fiel. Eine Klinge aus magischem Erz!
    Tak sah, dass Kjell die Waffe ebenfalls aufgefallen war. Er konnte schon beinahe die Goldstücke in den Augen des Nordmannes funkeln sehen. Das Schwert des Untoten allein war bereits ein Vermögen wert!
    Vorausgesetzt natürlich, man konnte es dem Wächter des Grabes aus seinen kalten, toten Fingern nehmen.

    Die Mumie hob das Schwert und deutete mit der Spitze nacheinander auf jeden der ungebetenen Eindringlinge, wobei sie mit einer tiefen, knorrigen Stimme einen fast schon melodischen Singsang anstimmte. Asha warf Tak einen fragenden Blick zu, aber hier musste er passen. So gut, dass er die uralte Sprache fließend sprechen und verstehen konnte, war er dann doch nicht.
    Kjell ließ sich von der Drohgebärde nicht beeindrucken. Die Aussicht auf reiche Beute schien seine Bedenken fortgespült zu haben. Er grinste breit, legte seine Fackel auf den Boden und löste seine Zweihandaxt aus ihrer Halterung – in der Halle hatte er genug Platz, um die große Waffe zu schwingen. Indessen waren Hasina und Willem ganz automatisch links und rechts von ihrem Anführer in Stellung gegangen und umkreisten den Gegner bereits, Hasina mit ihrem Kurzspeer in der einen und ihrer Fackel in der anderen Hand, während Willem die Fackel gegen seinen Schild ausgetauscht hatte.
    „Na dann komm mal her, du verfaultes Madenparadis!“, rief Kjell herausfordernd mit schlagbereit erhobener Axt. Die Mumie ließ ihr Schwert locker durch die Luft schwingen und schüttelte den Kopf, wobei sie knarzende Geräusche von sich gab. Lachte der Untote etwa?

    Kjell zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. Auch für ihn war es nicht der erste Kampf gegen reanimierte Tote, und sie waren stets furchterregende Gegner, aber dass einer ihn auslachte, das war ihm auch noch nicht passiert. Einen Moment lang war er verunsichert, aber dann festigte er den Griff um seine Axt wieder. Was interessierte es ihn schon, ob der verdammte Wickelzombie noch sowas wie Verstand und Gefühle hatte?
    „Na warte, Freundchen, dir werd‘ ich’s zeigen!“, knurrte der Nordmann und griff an.

    Der Untote schien nur darauf gewartet zu haben. Geschmeidig wie eine Katze duckte er sich unter dem brutalen Hieb weg und brachte dabei seine Erzklinge in einem eleganten Bogen nach oben. Die Erzklinge traf auf den hölzernen Schaft der Streitaxt, und der Untote zog sein Schwert mit einer kraftvollen Bewegung zurück. Der magische Stahl schnitt durch das harte Eichenholz, als wäre es vom Moder zerfressen, und der Schwung des Hiebes besorgte den Rest – mit einem lauten Knacken brach der Kopf der Axt ab und fiel scheppernd zu Boden.
    Einen Moment lang starrte Kjell ungläubig auf den Axtstiel in seiner Hand und wahrscheinlich war es allein dem gleichzeitigen Eingreifen Willems und Hasinas zu verdanken, dass die Mumie den Augenblick nicht ausnutzen konnte, um ihm ihr Schwert direkt in den Hals zu rammen. Sie parierte die Angriffe der beiden Söldner, musste sich aber ein Stück zurückziehen.

    Unflätigkeiten ausstoßend warf Kjell den Axtstiel fort, zog seinen Sax und schloss sich Willem und Hasina an, die gemeinsam mit der Mumie fochten. Der Kampf wogte hin und her, doch obwohl die drei Söldner ein eingespieltes Team waren und ihre Angriffe wortlos aufeinander abstimmten, gelang es ihnen nicht, die Oberhand zu gewinnen. Die Mumie bewegte sich mit einer Schnelligkeit und Eleganz, die Tak noch nie bei einem Untoten gesehen hatte. Er würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass der Wächter mit seinen Gegnern spielte

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    „Was ist mit den anderen?“, zischte Asha. Tak musste nicht nachfragen, was sie mit den anderen meinte – der untote Krieger, dessen erstaunliche Fechtkünste es den Söldnern nicht leicht machten, war aus einer Statue gekommen, und es gab noch drei weitere Statuen in dem Raum. Wenn jede von ihnen einen Wächter beherbergte, und jeder dieser Wächter ein ebenso geschickter Kämpfer war wie die der erste…
    „Ich schätze, wir sollten uns um darum kümmern!“ Tak zog sein Schwert und zögerte nicht lange. Mit wenigen schnellen Schritten war er bei der ersten Statue und hämmerte den Krauf seiner Waffe gegen den Kopf der Figur. Tatsächlich – auch diese Statue bestand aus nichts als Ton, der unter dem kräftigen Hieb zersplitterte und die Sicht auf einen verdorrten, in Bandagen gewickelten Schädel freigab, in dessen Augenhöhlen Kristalle eingelassen waren. Kristalle, in denen ein schwaches Licht schimmerte. Es flackerte wie eine Kerzenflamme im Sturm, leuchtete Mal stärker, Mal schwächer – aber mit jedem Flackern nahm seine Intensität weiter zu. Der Untote war dabei, zu erwachen!
    „Nehmt euch die anderen vor“, bellte Tak zu Asha und Fuchs, „Wir haben nicht mehr viel Zeit!“
    Er hob sein Schwert, zielte mit der Spitze auf eines der Kristallaugen und rammte dem Untoten die Klinge in den Kopf. Der Kristall zersprang mit einem hellen, fast gläsernen Klirren, doch der Effekt war nicht der, auf den Tak gehofft hatte – statt leblos in sich zusammenzusacken, riss die Mumie plötzlich den Mund auf, stieß einen unmenschlichen, heiseren Schrei aus, und befreite sich aus ihrem Gefängnis, indem sie sie mit unmenschlicher Kraft die Arme ausbreitete, so dass das Tongefäß, in dem sie gefangen war, in tausend Scherben zersprang. Tak biss die Zähne zusammen und drückte mit seinem ganzen Gewicht gegen sein Schwert, trieb es noch tiefer in den Schädel des Untoten, bis die Klinge aus dem Hinterkopf der Kreatur wieder herauskam.
    Aber die verdammte Mumie wollte nicht sterben! Im Gegenteil – sie packte Tak am Hals und drückte zu. Wie ein eiserner Schraubstock schlossen sich die skelettierten Klauen um seine Kehle und schnürten ihm die Luft ab. Schon nach wenigen Sekunden fingen Sterne an, vor seinen Augen zu tanzen. Tak ließ das Schwert los und hämmerte mit der freien Hand gegen den Unterarm der Kreatur, aber genauso gut hätte er auf einen Felsen einschlagen können.
    Die Fackel!, kam es ihm in den Sinn. In der linken Hand hielt er noch immer seine Fackel! Er rammte sie der Mumie in die Seite. Einen Moment lang geschah nichts, der Untote verstärkte nur noch einmal seinen Griff um Taks Hals, aber dann fingen die uralten, mit kostbaren Harzen getränkten und im Laufe der Jahrtausende vollkommen ausgetrockneten Bandagen Feuer. Eine regelrechte Stichflamme hüllte die Mumie ein, die auf einmal eine geradezu menschliche Reaktion zeigte – sie ließ von Tak ab, taumelte nach hinten und versuchte panisch, die Flammen auszuklopfen, warf sich sogar zu Boden und fing an, sich im Staub zu wälzen. Sie hatte jedoch keine Chance. Es dauerte keine Minute, bis das gierige Feuer den uralten Wächter des Tempels so weit verzehrt hatte, dass selbst die Magie des alten Volkes nicht mehr in der Lage war, seine untote Existenz noch aufrecht zu erhalten.
    „Feuer!“, krächzte Tak in Richtung von Asha und Fuchs. Seine Kehle schmerzte und es bereitete ihm Mühe, die Worte hervorzubringen, aber das war ohnehin nicht nötig. Asha hatte ‚ihren‘ Wächter bereits in Brand gesetzt, und Fuchs stand ebenfalls mit der Fackel bereit, während er einen schweren Stein in der Hand wog, um damit die Keramikschale der Statue aufzubrechen.
    Tak wandte sich den drei Söldnern zu, die noch immer mit dem einen erwachten Untoten kämpften. Kurz traf sein Blick die leuchtenden Kristalle im Schädel der Mumie. Vielleicht bildete er es sich nur ein – wie sollte man schließlich Gefühle aus ein paar Steinen lesen wollen? –, aber vielleicht konnte die Magie der Wächter-Mumien tatsächlich etwas wie Emotionen transportieren: Jedenfalls kam es Tak so vor, als wären der Spott und der Hohn, die gewisse Verspieltheit, aus dem Blick des Untoten verschwunden. Der Wächter wusste, was mit den drei anderen Untoten, die bis jetzt mit ihm die Ewigkeit hier verbracht hatten, geschehen war.
    Und er wollte Rache…

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